HFH Logo Digitali­sie­rung und Indus­trie 4.0 – Eine Ein­füh­rung zu aus­ge­wähl­ten neueren Ent­wick­lungen in Wirt­schaft und Ge­sell­schaft



Dieser digitale Studien­brief führt zu aus­ge­wähl­ten neueren Ent­wick­lungen in Wirt­schaft und Ge­sell­schaft be­züg­lich Digi­tali­sie­rung und Indus­trie 4.0 ein und wird Teil der aka­dem­ischen Aus­bil­dung im Modul "Ein­führ­ung in die Be­triebs­wirt­schaft" zu Beginn der Bachelor­stu­dien­gänge Be­triebs­wirt­schaft, Wirt­schafts­inge­nieur­wesen, Ma­schi­nen­bau, Mecha­tro­nik und Wirt­schafts­psycho­logie.


Verfasserinnen und Verfasser

Prof. Dr. rer. pol. Ronald Deckert

Professor am Fach­bereich Tech­nik der HFH · Ham­burger Fern-Hoch­schule, Studien­gangs­leiter Wirt­schafts­inge­nieur­wesen

Dr. rer. nat. Anja Günther

Wissen­schaft­liche Mit­arbei­terin am Fach­bereich Tech­nik der HFH · Ham­burger Fern-Hoch­schule

Gastautorinnen und Gastautoren

Dr. Philipp Gabsch (Kapitel 3 „Sicherheit - Cyber Security“)

Promovierter Volks­wirt, Tätig­keit in der Bundes­ver­wal­tung ins­be­son­dere zu Cyber­sicher­heit

Dr. Maren Metz (in Abschnitt 2.3: „Aus­ge­­wählte Ge­dan­ken zur Inge­nieur­psycho­logie“)

Vertretungs­professorin für Psycho­logie/Wirt­schafts­psycho­logie am Fach­bereich Ge­sund­heit und Pflege der HFH · Ham­burger Fern-Hoch­schule, Stu­dien­gangs­lei­terin Psycho­logie und Wirt­schafts­psycho­logie

Heinrich Recken (in Abschnitt 2.2: „Ein Bei­spiel aus der For­schung: Die Pflege­brille“)

Studien­zentrums­leitung Essen an der HFH · Ham­burger Fern-Hoch­schule

Dr.-Ing. Wilhelm Specker (in Abschnitt 1.3.3: „Di­gi­taler Zwil­ling – aus­ge­wählte Bei­spiele“)

Ver­tretungs­professor am Fach­bereich Technik der HFH · Ham­burger Fern-­Hoch­schule, Stu­dien­gangs­leiter für die Bachelor­stu­dien­gänge Ma­schinen­bau und Mecha­tro­nik

Julia Holze (in Abschnitt 1.3.2: „Neue Wege der Kom­mu­ni­ka­tion – Per­sonal Bran­ding in so­zialen Netz­werken oder Mach Dich zur Marke “)

Julia Holze leitet das Pro­dukt­mar­keting (Rail) bei einem in­ter­natio­nalen Tech­nologie-Groß­kon­zern und kann als Social Media In­flu­en­cerin gelten. @julia_holze (Twitter) @julholze (Instagram)


03-2130-001-3 | 3. Auflage | November 2018  –  ( 1. Auflage | Januar 2018 )

Diese Ab­bil­dung eines Stu­dien­briefs mittels HTML5 ist ein Pilot­projekt des Fach­bereichs Tech­nik an der HFH · Ham­burger Fern-Hoch­schule.

In der Reihe an digi­talen Studien­briefen sind bis­lang er­schie­nen Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 – Eine Ein­füh­rung zu aus­ge­wähl­ten neueren Ent­wick­lungen in Wirt­schaft und Gesell­schaft im Jahre 2018 sowie Ein­füh­rung in den Master­studien­gang Wirt­schafts­inge­nieur­wesen im Jahre 2017.

Einleitung

In diesem digitalen Studien­brief wird ein über­blicks­hafter Ein­stieg zu neueren Ent­wick­lungen in Wirt­schaft und Ge­sell­schaft für die Themen­komplexe Digi­tali­sie­rung und Indus­trie 4.0 gegeben.

Ziel­setzung ist es, die zu­grunde liegen­den Ent­wick­lungen der neueren Dis­kus­sion zu Digi­tali­sierung und Indus­trie 4.0 in aus­ge­wähl­ten Grund­zügen zu kennen und zu ver­stehen.

In verschiedenen aka­de­mi­schen Dis­zi­plinen – und so auch in wirt­schafts­wissen­schaft­lich geprägten – ist es heut­zu­tage unab­ding­bar, sich in einer Zeit großer ge­sell­schaft­licher Heraus­for­de­rungen (Wissen­schafts­rat, 2015) mit den hier an­ge­spro­chenen Themen­stel­lun­gen aus unter­schied­lichen Blick­winkeln zu be­fas­sen. Dadurch, dass dis­zi­plin­spe­zi­fisches Wissen heute und in Zukunft von Beginn an in einen größe­ren Kon­text ein­ge­ordnet wird, kann jede/r in vielen Lebens­bereichen profi­tieren. Zugleich unter­stützen Sie und wir gemein­sam die Schaf­fung eines Problem­bewusst­seins, das der Begeg­nung gesell­schaft­licher Heraus­for­de­rungen und der Lösung zuge­hö­ri­ger Pro­blem­stel­lungen zu­träg­lich ist. In dieser online ver­füg­ba­ren Quelle

Wissen­schafts­rat (Hrsg.) (2015): Zum wissen­schafts­poli­ti­schen Dis­kurs über Große gesell­schaft­liche Heraus­for­de­rungen – Posi­tions­papier. Drs. 4594-15. Verab­schie­det in Stutt­gart. URL: https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/4594-15.pdf [Stand: 04.09.2017].

können Sie mehr dazu er­fah­ren, welche Posi­tion der Wissen­schafts­rat im Jahre 2015 zu „Großen Gesell­schaft­lichen Heraus­for­de­rungen“ ein­ge­nom­men hat und in­wie­weit Wissen­schaft dazu bei­tra­gen soll­te, diesen Heraus­for­de­rungen zu be­geg­nen.

Es soll hier jedoch keines­wegs allein darum gehen, die Gesell­schaft zu ver­bes­sern. Denn folgt man Aoun (2017), so kann man sich selber, seine Stär­ken und seine Schwä­chen sowie seinen An­trieb und seine Mög­lich­kei­ten durch die Be­fas­sung mit Pro­ble­men in der realen Welt kennen­ler­nen und sich so auch auf eine tech­no­lo­gisch geprägte Welt vor­be­rei­ten. Die Lek­türe des vor­lie­gen­den digi­talen Studien­briefes kann Ihnen dabei helfen, hier­für einige Schritte zu gehen und sich auf dieser Basis mehr und mehr für die Zukunft zu wappnen.

WICHTIGE HINWEISE:

Gegen­wär­tig ist die­ser Studien­brief ein Zusatz­ma­te­rial und nicht prü­fungs­rele­vant.

Wichtig für Ihr Ver­ständ­nis ist auch, dass Sie sich mit den eng­li­schen Be­grif­fen, die im Text Ver­wen­dung fin­den, aus­ein­ander­set­zen – und zwar min­des­tens be­züg­lich der lexi­ka­li­schen Be­deu­tung im je­wei­li­gen Kon­text –, da dies in der heu­ti­gen Zeit für viele Themen­stel­lun­gen wie die hier an­ge­spro­chenen un­ab­ding­bar ist.

1 Digitalisierung und Industrie 4.0

Vom erst­ma­li­gen Auf­tre­ten der zen­tra­len Ein­heit für Infor­ma­tion „binary digits“ oder kurz „bits“, die nach C. E. Shannon (1948) von J. W. Tukey vor­ge­schla­gen wurde, bis hin zur aktu­ellen Ent­wick­lung und Dis­kus­sion rund um den Begriff Indus­trie 4.0 hat aus einer techn­(olog)­ischen Per­spek­tive heraus be­trach­tet eine ra­sante Ent­wick­lung in der Ge­sell­schaft statt­ge­fun­den, die heute und in Zukunft viele Lebens­be­reiche stark be­ein­flusst. Die Digi­tali­sie­rung und damit ein­her­ge­hen­de Ent­wick­lungen be­tref­fen nicht nur die Art und Weise, wie wir heut­zu­tage unsere pri­vate Kom­mu­ni­ka­tion mit Freun­den und Fami­lie führen (WhatsApp, Facebook, Twitter etc.) son­dern auch unser Kauf­ver­hal­ten (Amazon, Essens­liefer­dienste u. a.), unsere Infor­ma­tions­be­schaf­fung bzw. Wissens- und Meinungs­ver­mitt­lung (YouTube, Wiki­pedia, Blogs, Twitter u.a) und unsere Arbeits­welt (bei­spiels­weise digi­tali­sierte Arbeits­abläufe). Das Bundes­minis­terium für Bil­dung und For­schung (BMBF) infor­miert zur Digi­talen Wirt­schaft und Gesell­schaft ins­be­son­dere im Rah­men des Zukunfts­pro­jekts Industrie 4.0 (https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html).

An­hand die­ses digi­ta­len Studien­briefs möchten wir Ihnen einige Grund­züge zur Dis­kus­sion rund um das Thema Indus­trie 4.0 sowie zu den gesell­schaft­li­chen Heraus­for­de­rungen ver­mit­teln, die Ihnen als erste Basis für eine spä­tere weiter­füh­ren­de Be­schäf­ti­gung mit den dazu­ge­hö­ri­gen Ent­wick­lungen die­nen können. Ins­be­son­dere ist die Aus­ein­ander­set­zung mit die­sen Themen­fel­dern für ein grund­le­gen­des Ver­ständ­nis des Wirt­schafts­le­bens und mög­li­cher Ver­än­de­rungen des­selben heut­zu­tage un­ab­ding­bar.

Der Ein­stieg in die The­ma­tik soll dabei anhand nach­fol­gen­der Frage­stel­lung be­gin­nen. Die rich­ti­ge Ant­wort zu dieser Frage soll Ihnen dabei als roter Faden be­züg­lich der Struk­tu­rie­rung der nach­fol­gen­den Ab­schnit­te dieses Studien­briefs dienen.

Was denken Sie, anhand welcher der fol­gen­den Be­griffe lässt sich das, was unter Indus­trie 4.0 zu ver­ste­hen ist, cha­rak­te­ri­sieren?

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1.1 Die indus­tri­el­len Revo­lu­tio­nen und Bau­steine von Indus­trie 4.0

Die erst­ma­lige Er­wäh­nung des Begriffs Indus­trie 4.0 stammt aus dem Jahr 2011 und sollte das Ziel zum Aus­druck bringen, eine vierte Revo­lu­tion ein­zu­leiten (Kager­mann, Lukas, Wahlster 2011). Während die voraus­ge­gan­ge­nen indus­tri­el­len Ent­wick­lungen grob in Me­cha­ni­sie­rung, Elek­tri­fi­zie­rung und (erste) Auto­ma­ti­sie­rung ein­zu­tei­len sind (siehe Abb. 1.1), wird unter Industrie 4.0 eine Ent­wick­lung ver­stan­den, die eng ver­bun­den ist mit Begrif­fen wie (For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft 2013; Kager­mann, Wahlster, Helbig 2013):

  • Internet der Dinge, Daten und Dienste (Internet of Services - IoS - soll zum Aus­druck bringen, dass neben oder ver­bunden mit intel­li­gen­ten Pro­duk­ten auch intel­li­gente Dienst­leis­tungen an­ge­bo­ten werden können),

  • cyber-physische Systeme (CPS) und auch cyber-physische Pro­duk­tions­sys­teme (CPPS), ver­ti­kale und hori­zon­tale Ver­net­zung von Unter­nehmen,

  • Smart Factories, Smart Devices und Smart Products

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Abb. 1.1: Die indus­tri­el­len Revo­lu­tio­nen (Icons made by Freepik, Pixel perfect, Smash­icons and Eleonor Wang from www.flaticon.com licensed by CC 3.0 BY)

Die oben genann­ten Smart Facto­ries nutzen die Ver­net­zung, in dem Maschinen mit­ein­ander kom­mu­ni­zie­ren. Wie eine solche Fabrik von morgen aus­se­hen kann, zeigt das fol­gende Video vom Bundes­mi­nis­te­rium für Bil­dung und For­schung (BMBF; https://www.bmbf.de/de/zukunftsprojekt-industrie-4-0-848.html):

[Video-URL: https://www.youtube.com/embed/fnSI9MRseR0?rel=0]

© Bundes­mi­nis­te­rium für Bil­dung und For­schung

Laut der For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft (2013: 10) ist die „Trans­for­ma­tion in eine web- und wissens­basierte Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft [...] unum­kehr­bar. [Hervor­hebung ergänzt]", wobei man heut­zu­tage durch­aus die Meinung ver­treten kann, dass wir – an­stelle von einer Wissens­ge­sell­schaft – von einer Kompe­tenz­gesell­schaft aus­ge­hen können (Sauter 2015) (Deckert 2017a).

Für Sie als Bachelor­stu­die­rende sind in dieser Kompe­tenz­ge­sell­schaft gemäß dem Quali­fi­ka­tions­rahmen für deutsche Hoch­schul­ab­schlüsse (vgl. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_02_16-Qualifikationsrahmen.pdf) Kom­pe­ten­zen in den fol­gen­den Be­rei­chen be­son­ders wichtig:

  • Fach­kom­pe­tenz – Wissen und Ver­stehen

  • Methoden­kom­pe­tenz – Einsatz, Anwen­dung und Erzeu­gung von Wissen

  • Sozial­kom­pe­tenz – Kom­mu­ni­ka­tion und Ko­ope­ra­tion

  • Selbst­kom­pe­tenz – Wissen­schaft­li­ches Selbst­ver­ständ­nis/Pro­fes­sio­na­­lität

Die ange­spro­chene Trans­for­ma­tion in Rich­tung einer web- und wissens­ba­sier­ten Dienst­leis­tungs­ge­sell­schaft, in der Indus­trie 4.0 und das Inter­net der Dinge dis­ku­tiert werden, ist auch ein tech­no­lo­gisch ge­präg­ter Ent­wick­lungs­pro­zess.

Aus der evo­lu­tio­nären Ent­wick­lung und Kon­ver­genz welcher zwei Tech­no­lo­gien resul­tiert...

... – der For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft (2013: 10 und 54 ff.) folgend – im Kern die dort so­ge­nannte Revo­lu­tion des Inter­nets der Dinge, Daten und Dienste?

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Aus­wei­tung des Kon­tex­tes

Nach­fol­gend finden Sie einen Über­blick zu Be­grif­fen, die eben­falls mit „4.0“ endend Ver­wen­dung finden, sowie die dazu­ge­hö­ri­gen online ver­füg­ba­ren Quel­len. Hierbei soll auf­ge­zeigt werden, dass die Dis­kus­sion rund um Indus­trie 4.0 in einen größe­ren Kon­text ein­ge­ord­net werden kann mit Be­grif­fen, denen die Endung 4.0 aufgeprägt wurde:

  • Akade­mischer Arbeits­markt 4.0 (Stifter­ver­band für die Deut­sche Wissen­schaft 2016)

  • Arbeiten 4.0 (Bundes­minis­terium für Arbeit und Sozia­­les 2016)

  • Arbeitswelt 4.0 (Stifter­ver­band für die Deut­sche Wissen­schaft 2016)

  • Bildung 4.0 (Bundes­in­sti­tut für Berufs­bil­dung 2016)

  • Curriculum 4.0 (Stifter­ver­band für die Deut­sche Wissen­schaft 2016, Pro­gramm ge­mein­sam ge­för­dert mit der Carl-Zeiss-Stiftung)

  • Hochschulbildung 4.0 (Stifter­ver­band für die Deut­sche Wissen­schaft 2016)

  • Welt 4.0 (vgl. unter https://www.ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2016/10/willkommen-in-der-welt-4-0.html eine Ver­an­stal­tung der ETH Zürich)

  • Wirtschaft 4.0 (Bundes­in­sti­tut für Berufs­bil­dung 2016)

Wie an­hand der Auf­lis­tung nach­voll­zieh­bar, be­schränkt sich die Ent­wick­lung nicht nur auf die Indus­trie und/oder Tech­no­lo­gie. Dies zeigt sich auch an fol­gen­dem Zitat des Stifter­ver­bandes für die Deut­sche Wissen­schaft (2016: 6):

„Der Wandel er­folgt oft schnell und grund­le­gend: Pro­duk­tions- und Logis­tik­ket­ten sowie Pro­duk­te und Dienst­leis­tungen ver­än­dern sich. Inno­va­tions­zyk­len wer­den kür­zer. Digi­ta­li­sie­rung und Tech­ni­sie­rung ver­än­dern aber auch grund­le­gend bis­lang tech­nik­ferne, wissens­inten­sive Berufs­bil­der, wie zum Bei­spiel im Jour­na­lis­mus, in der Juris­pru­denz, in der Bil­dung oder in der Ver­wal­tung. [...] Neu ist, dass die Tech­nik nicht mehr nur ma­nu­el­le Tätig­kei­ten er­gänzt oder er­setzt, son­dern zu­neh­mend ana­ly­tisch-intel­lek­tu­elle Auf­gaben über­nimmt oder unter­stützt [Her­vor­he­bun­gen er­gänzt]“.

Die branchen­über­grei­fen­den Aus­wir­kun­gen der Digi­ta­li­sie­rung wur­den von Deloitte Digital und Heads! Exe­cu­tive Consul­tancy (2015) in Form der nach­fol­gend ab­ge­bil­de­ten „Disrup­tion Map“ auf­ge­zeigt. Dabei wurden die Ver­än­de­run­gen durch die Digi­ta­li­sie­rung an­hand von zwei Größen, der Ein­fluss­stärke („Knall“) als Prozent­angabe in Bezug auf den Wandel am be­ste­hen­den Ge­schäft sowie dem Zeit­ver­lauf („Lunte“) wieder­ge­geben. Die Grafik zeigt „Bran­chen-Cluster mit deren in­di­vi­du­el­len Sze­na­rien, wann und in welchem Aus­maß sie der digi­tale Wandel tref­fen wird. Die­jeni­gen Bran­chen, denen ein großer Knall bevor­steht, soll­ten die digi­tale Trans­for­ma­tion als die zentrale Heraus­for­de­rung be­trach­ten, die in nächster Zeit auf sie zu­kommen wird. Unter­neh­men, die sich in der Kate­go­rie „lange Lunte, großer Knall“ be­fin­den, werden sich dem Um­bruch in drei bis fünf Jahren gegen­über­sehen und haben daher etwas mehr Zeit. Da­ge­gen be­steht in jenen Bran­chen, die sich dem Sze­na­rio „kurze Lunte, großer Knall“ stel­len müssen, drin­gen­de Not­wen­dig­keit zu handeln. Für einige von ihnen, wie bei­spiels­wei­se Me­dien, Tele­kom­mu­ni­ka­tion und Ein­zel­han­del, hat der Wan­del schon vor vie­len Jahren be­gon­nen und setzt sich weiter fort. Wei­tere be­trof­fe­ne Bran­chen in­ner­halb dieses Clus­ters sind das Banken- und Ver­si­che­rungs­wesen, Pro­fes­sio­nal Ser­vi­ces sowie das Bil­dungs­wesen und die Immo­bi­li­en­branche. Diese Indus­trien sehen sich einem großen Wandel – ver­ur­sacht durch digi­tale Tech­no­lo­gien und neue Wett­be­wer­ber – ge­gen­über [...]" (Deloitte Digital und Heads! Exe­cu­tive Consul­tancy 2015). Die reale Ent­wick­lung wird zeigen, wie aus­ge­prägt die Ver­än­de­rung nach Art und Umfang ver­gli­chen mit dieser bild­haft dar­ge­stell­ten Be­wer­tung sei­tens Bera­tungs­unter­nehmen sein wird.

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Abb. 1.2: Disruption Map (eigene Dar­stel­lung in eng­er An­leh­nung an die Quelle: Deloitte Digital und Heads! Exe­cu­tive Consul­tancy 2015)

In diesem Zu­sam­men­hang scheint es ins­ge­samt nicht ziel­füh­rend zu sein, Indus­trie 4.0 als ab­ge­grenz­te Insel­lösung für die Indus­trie zu be­trach­ten, son­dern die Ent­wick­lun­gen rund um Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 als rele­vant für viele Be­rei­che zu ver­ste­hen.

Was denken Sie, welche Cha­rak­te­ri­sie­rungen auf Indus­trie 4.0 passen?

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Vorteile und Nach­teile der Indus­trie 4.0

Mit Indus­trie 4.0 sind nach dem Bei­trag von Bendel (2017a) Vorteile ver­bun­den wie „An­pas­sungs- und Wand­lungs­fähig­keit, Ressour­cen­effi­zienz, Ver­bes­se­rung von Ergo­no­mie und Er­hö­hung von (be­stimm­ten Formen der) Sicher­heit“ (vgl. Gabler Wirt­schafts­lexi­kon: Begriff Indus­trie 4.0). Nach Elliot (2017) trägt künst­liche Intel­li­genz das Po­ten­zial, den Men­schen ein Stück weit von mentaler Müh­sal zu be­frei­en, nach­dem vor­an­ge­gan­ge­ne indus­tri­el­le Revo­lu­tio­nen den Men­schen viel­fach von phy­si­scher Müh­sal be­freit haben. Darin mag ein mög­li­cher Vor­teil der Ent­wick­lungen rund um Indus­trie 4.0 liegen, inso­weit für mensch­liche und künst­liche Intel­li­genz Formen der Zu­sam­men­arbeit ge­fun­den werden, die für den Men­schen tat­säch­lich mental weniger müh­selig sind. Nun schaut sich Wissen­schaft nicht nur Vor­teile von etwas an, denn: Wissen­schaft nimmt selten nur einen singu­lären Blick­win­kel ein, sondern um­fasst ins­be­son­dere auch „Dis­kurs“ sowie „Reflek­tie­ren und Berück­sich­ti­gen unter­schied­licher Sicht­wei­sen und Inter­essen anderer Be­tei­lig­ter“ (vgl. Quali­fi­ka­tions­rahmen für Deut­sche Hoch­schul­ab­schlüsse hier https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/veroeffentlichungen_beschluesse/2017/2017_02_16-Qualifikationsrahmen.pdf, Seite 7). Mit Indus­trie 4.0 ver­bun­dene Kritik und Nach­teile können Sie mit­hilfe der nach­fol­gen­den Auf­gabe erkunden:

Was wissen Sie dazu, welche Kritik­punkte und mög­li­chen Nach­teile sich nach Bendel (2017a) ver­bun­den mit Indus­trie 4.0 fest­stel­len lassen?

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Mensch-Maschine-Partner­schaft

Vor diesem Hinter­grund ist un­mit­tel­bar ein­sich­tig, dass Digi­ta­li­sie­rung nicht das Ziel ist, sondern das Fun­da­ment für eine grund­le­gende Trans­for­ma­tion bildet, wobei heute nicht mehr (nur) Er­run­gen­schaf­ten wie Wasser­dampf, Elek­tri­zi­tät und fos­sile Brenn­stoffe wie in ver­gan­ge­nen Zei­ten das Wirt­schaf­ten er­mög­li­chen, son­dern zu­sätz­lich Daten, die es unter Nutzung kog­ni­ti­ver Tech­no­lo­gien (vgl. Abschnitt 1.4) zu erheben, zu veredeln und an­zu­wen­den gilt (Rometty 2016). Dabei geht es laut Rometty (2016) um „intel­li­gence aug­men­ta­tion“, also „IA“, und nicht allein um „arti­fi­cial intel­li­gence“, also „AI“. Das bedeutet, dass wir darüber nach­den­ken und uns auch kri­tisch dazu aus­tau­schen müssen, welche Formen künst­licher Intel­li­genz unsere mensch­liche Intel­li­genz gut ergänzen können sowie welche Formen künst­licher Intel­li­genz wir ak­zep­tie­ren und welche nicht. Denn dies hat einen Ein­fluss auf die Zu­sam­men­arbeit, die Ent­schei­dungs­fin­dung und das Manage­ment von Orga­ni­sa­tio­nen (Rometty 2016). In die­sem Zu­sam­men­hang stellt sich die Frage:

Was können Men­schen und was können Ma­schi­nen je­weils bes­ser be­werk­stel­li­gen und wie wir­ken beide zu­sammen?

Als eine Grenze dafür, was Ma­schi­nen kog­ni­tiv noch nicht können, be­schreibt Daven­port (2016) im Bereich der Fähig­keit Stra­te­gien zu ent­wickeln, dass Men­schen auf be­stimmten ge­dank­lichen Ebenen mit Blick auf Sinn­gebung („sense-making“) und Denken vom Großen und Ganzen aus („big-picture think­ing“) besser sind. Aller­dings merkt Daven­port (2016) auch an, dass

  • Menschen im stra­te­gi­schen Be­reich nicht zwangs­läu­fig immer er­folg­reich sind mit Blick auf Fehl­schlä­ge bei Unter­neh­mens­zu­sam­men­schlüssen (Mergers & Acqui­sitions), Produkt­ein­füh­rungen oder Unter­neh­mens­ex­pan­sio­nen in neue Regio­nen und Länder,

  • Computer heute bereits – mindes­tens ver­ein­zelt – stra­te­gisch rele­vante Pro­bleme eva­lu­ieren sowie

  • die Diskussion hierzu auch unter Bera­tungs­unter­nehmen begonnen hat, bei denen Inter­esse an auto­ma­ti­sier­ten kog­ni­ti­ven Fähig­kei­ten („auto­mated cog­ni­tive cap­abili­ties“) fest­zu­stel­len ist (vgl. bspw. „Design­ing the Machi­nes That Will Design Stra­tegy“ von Martin Reeves und Daichi Ueda im Harvard Busi­ness Review unter https://hbr.org/2016/04/welcoming-the-chief-strategy-robot).

Viel­leicht ent­wickeln wir uns damit in eine Rich­tung, die Daven­port (2016) mit einer stra­te­gi­schen Mensch-Maschine-Partner­schaft („strategic human-machine partner­ship“) beschreibt, bei der der Mensch kog­ni­tive Tech­no­lo­gie nutzt und in der die Fähig­kei­ten des Men­schen zu Sinn­gebung und zum Denken vom Großen und Ganzen her – oder bild­lich ge­spro­chen: zum Denken aus einer Adler­per­spek­tive heraus – einmal mehr sehr wert­voll werden.

Dieser Ansatz betont ins­be­son­dere die Be­deu­tung der All­ge­mein­bil­dung des Men­schen, da viele Pro­bleme auf­grund der Kom­ple­xi­tät der Umwelt nicht mehr nur allein mit Mo­del­len und An­sät­zen einer Dis­zi­plin zu lösen sind.

Mit den nach­fol­gen­den Aus­füh­run­gen ver­suchen wir in aus­ge­wähl­ten Grund­zügen auch einen Bei­trag dazu zu leis­ten, dass Sie zu­künf­tig immer wieder und immer wieder aufs Neue eine Adler­per­spek­tive zu Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 ein­neh­men können.

1.2 Digitalisierung

Für Digi­ta­li­sie­rung kann und soll keine sin­gu­lä­re Be­griffs­de­fi­ni­tion heran­ge­zogen werden, viel­mehr wird die Defi­ni­tion als vom ge­wähl­ten Kon­text ab­hängig an­ge­nom­men. An dieser Stelle wird stärker auf den digi­talen Wandel fokus­siert, der, aus­ge­hend von einer Ent­wick­lung des ersten Digi­tal­rech­ners, viel­fäl­tige Ver­än­de­rungs­pro­zesse in der Ge­sell­schaft und der Wirt­schaft her­vor­ge­rufen hat. Erst durch die Ent­wick­lung von Com­pu­tern und ins­be­son­dere die Weiter­ent­wick­lung hin zu klei­ne­ren elek­tro­ni­schen Bau­teilen mit stark an­wach­sen­der Leis­tungs­fähig­keit konnte die Digi­ta­li­sie­rung im beruf­lichen und pri­va­ten All­tag um­fas­send Einzug halten. Den Grund­stein legte im Jahre 1941 Konrad Zuse mit dem ersten voll funk­tions­fä­hi­gen pro­gram­mier­baren Digi­tal­rech­ner Z3.

Was denken Sie,...

...mit welchem der folgen­den Aus­drücke steht der quan­ti­ta­tiv mess­bare Anstieg der Leis­tungs­fähig­keit von Com­pu­tern seit dem ersten von Konrad Zuse ent­wickel­ten und im Jahre 1941 vor­ge­führ­ten Digi­tal­rech­ner Z3 in Ver­bin­dung?

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Folgende online ver­füg­bare Quel­len bieten Ihnen bei Inter­esse weitere Infor­ma­tio­nen zu den An­fän­gen des Com­pu­ters bzw. zum Moore’schen Gesetz:

An dieser Stelle lohnt es, sich diese Frage­stel­lung auch aus mathe­ma­tischer Per­spek­tive vor Augen zu führen. Dies gilt ins­be­son­dere, da der ex­po­nen­tielle Anstieg eines Sach­ver­halts Ihnen nicht nur hier sondern auch noch an wei­te­ren Stel­len im Stu­dium be­geg­nen wird, wie bei­spiels­weise in den Wirt­schafts­wis­sen­schaf­ten ver­bun­den mit dem Zinses­zins-Effekt. Nach­folgend wird ein Ge­dan­ken­gang prä­sen­tiert, den Prof. Dr. Thomas Ludwig (Ge­schäfts­führer des Deut­schen Klima­rechen­zentrums) 2015 im Rahmen einer Ver­an­stal­tung der Uni­ver­si­tät Hamburg vor­ge­stellt hat. Dazu führen wir uns zunächst einmal die fol­gen­den beiden Werte vor Augen:

  • Rechen­leis­tung des ersten Rech­ners Zuses Z3 im Jahre 1941: 0,3 FLOPS

  • Rechen­leis­tung des Rech­ners Tianhe-2 im Jahre 2014: 34 ∙ 1015 FLOPS

Die Einheit FLOPS (Floating Point Opera­tions Per Second) dient hier als Maß­ein­heit für die Rechen­leis­tung. Zur Ver­deut­lichung der quan­ti­ta­tiven Stei­ge­rung von 0,3 FLOPS auf den Zahlen­wert von 34 ∙ 1015 FLOPS führen wir ein Ge­dan­ken­expe­ri­ment durch und stellen uns vor, dass wir auf einem fiktiv ge­dach­ten Schach­brett mit ins­gesamt 64 Feldern

  • auf dem ersten Feld ein Reis­korn ablegen,

  • auf dem zweiten Feld zwei Reis­körner ablegen,

  • auf dem dritten Feld vier Reis­körner ablegen,

  • auf dem vierten Feld acht Reis­körner ablegen,

  • ...,

  • auf dem Feld x eine Anzahl von 2(x-1) Reis­körnern ablegen.

Diese Heran­ge­hens­weise mit dem Schach­brett ist dem einen oder anderen unter Ihnen sicher­lich schon in ver­schie­de­nen Ge­schich­ten­formen be­gegnet, wobei die Frage, ob auf dem Feld 64 über­haupt 263 Reis­körner Platz hätten, hier nicht be­trach­tet wird. Die Frage, die wir be­trach­ten wollen, ist fol­gende:

Können Sie angeben,...

...welches Feld auf einem Schach­brett die Stei­ge­rung der Zahlen­werte von 0,3 auf 34 ∙ 1015 am besten wider­spie­gelt, wenn dem ersten Feld die Zahl 1 zu­ge­ord­net ist und sich von Feld zu Feld diese Zahl ver­dop­pelt (zweites Feld hat die Zahl 2, drittes Feld die Zahl 4, viertes Feld die Zahl 8, fünftes Feld die Zahl 16, usw.)?

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Das Feld auf dem Schach­brett ergibt sich anhand fol­gen­der Rechnung:

$$ \begin{align} \frac{ 34 \cdot 10^{15} }{ 0,3 } \; &\cssId{Schritt1}{= \frac{ 3,4 \cdot 10 \cdot 10^{15} }{ 0,3 } } \\ &\cssId{Schritt2}{= \frac{ 3,4 \cdot 10^{16} }{ 0,3 } } \\ &\cssId{Schritt3}{= \frac{ 3,4 \cdot 10^{16} }{ \frac{3}{10} } } \\ &\cssId{Schritt4}{= \frac{ 3,4 \cdot 10^{16} \cdot 10 }{ 3 } } \\ &\cssId{Schritt5}{= \frac{ 3,4 }{ 3 } \cdot 10^{17} } \\ &\cssId{Schritt6}{= 1,1\bar{3} \cdot 10^{17} \approx 2^{57} = 2^{58-1} } \\ \end{align} $$

Da auf dem Feld x eine Anzahl von 2(x-1) Reis­kör­nern ab­ge­legt ist (siehe Angabe dieser Formel oben), ergibt sich damit das Feld x = 58 als Antwort auf die oben ge­stellte Frage. Diese Lösung kann bild­lich wie folgt ver­deut­licht werden:

Schachbrett.svg
Abb. 1.3: Graphische Verdeutlichung der Lösung.

Die Vor­teile der Digi­ta­li­sie­rung liegen unter tech­ni­schen Gesichts­punk­ten ins­be­son­dere in der schnel­le­ren Ver­ar­beit­bar­keit der Infor­ma­tio­nen, im gerin­ge­ren Speicher­platz­bedarf auf­grund der Mög­lich­keit, die Daten zu kom­pri­mie­ren, sowie der ver­lust­freien Archi­vie­rung der Daten. Die Digi­ta­li­sie­rung führte wie ein­gangs bereits erwähnt zu Um­wäl­zungen in der Arbeits­welt, indem bei­spiels­weise Robo­ter Auf­ga­ben teil­weise und kom­plett über­nom­men haben, aber auch zu größe­ren Ver­än­de­rungen ganzer Bran­chen und Unter­nehmen, die mit neuen, inno­va­tiven Geschäfts­modellen die vormals eta­blier­ten Unter­nehmen ver­drängt haben (z.B Smart Ser­vices). Neben den zahl­reichen Vor­tei­len und den Heraus­for­de­rungen zur Imple­men­tie­rung einer Indus­trie 4.0 führt die Digi­ta­li­sie­rung nach Bendel (2017c) auch zu mora­lischen Frage- und Problem­stel­lungen, wie bei­spiels­weise zu Fragen dazu, wie Ma­schi­nen ein vor­ge­ge­benes Regel­werk ein­halten und be­rück­sich­tigen oder wie eine ver­ant­wor­tungs­be­wusste Nut­zung von Daten in und von Unter­nehmen er­fol­gen kann. Diese und wei­tere As­pekte werden im Rahmen der je­wei­li­gen Teil­dis­zi­plin der Wirt­schafts­ethik bzw. der je­wei­li­gen Bereichs­ethik (Unter­neh­mens­ethik, Konsu­men­ten­ethik, Ma­schi­nen­ethik, Infor­ma­tions­ethik etc.) er­gründet (vgl. Bendel 2017c im Gabler Wirt­schafts­lexi­kon unter http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/digitalisierung.html).

Während "Ein Computer in jedem Heim" (frei nach Bill Gates) einige Zeit als über­ge­ord­nete Ziel­set­zung bei Micro­soft galt, finden sich heute Pro­gno­sen hin zu vielen Mil­liar­den mobi­len Com­pu­tern welt­weit. Heut­zu­tage sind nicht wenige Men­schen in einigen Teilen der Welt jeweils bereits mit meh­re­ren Com­pu­tern aus­ge­stat­tet und über meh­re­re Com­pu­ter tech­nisch ver­netzt (neben Desk­top-PCs heute auch Mobil­tele­fone, Lap­tops, Tab­let-PCs, Smart Watches, Bord­com­pu­ter von Kraft­fahr­zeu­gen, usw.). An dieser Fülle bereits vor­han­de­ner Devices sowie zu­ge­hö­ri­ger Dienst­leis­tungen kann eine fort­schrei­tende Ver­net­zung nach­voll­zogen werden und ver­bun­den hier­mit wird sich zu­neh­mend das Inter­net der Dinge ent­wickeln. Die nach­fol­gen­den Ab­schnit­te werden diese The­ma­ti­ken auf­grei­fen, wobei hier keine tech­nisch orien­tierte Ein­füh­rung in digi­tale In­for­ma­tions­tech­no­logie er­folgen soll.

1.3 Vernetzung

Das Thema Ver­net­zung soll an dieser Stelle zwar auch vom Begriff Indus­trie 4.0 aus­gehen, aber nicht allein auf die in­dus­tri­el­le Ent­wick­lung be­schränkt blei­ben und deut­lich weiter ge­fasst werden. Die grund­legende tech­no­lo­gische Vor­aus­set­zung für Ver­net­zung ist das Inter­net, welches Dinge (un­be­lebte Materie) und Men­schen (belebte Materie) mit­ein­ander ver­bindet. An­stelle dieser Be­griff­lich­keit können auch andere Aus­drücke wie bei­spiels­weise das Inter­net der Dinge, Daten und Dienste Ver­wen­dung finden. Die For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft schreibt hierzu: „Das Inter­net der Dinge, Daten und Dienste wird schon bald die phy­sische und die digi­tale Welt mit­ein­ander ver­schmel­zen und intel­li­gente Infra­struk­turen ent­ste­hen lassen, in denen Subjekte und Objekte gleicher­maßen in Echt­zeit kom­mu­ni­zie­ren [Her­vor­hebung er­gänzt]“ (For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft, 2013: 10). Im nach­fol­gen­den Unter­ab­schnitt wird auf­grund dessen kurz auf das Inter­net als grund­legende Tech­no­lo­gie ein­ge­gangen.

1.3.1 Das Inter­net als grund­le­gende Tech­no­logie

Das World Wide Web wurde um das Jahr 1991 herum durch Tim Berners-Lee am For­schungs­zentrum CERN initi­iert. Unter diesen beiden Links können Screen­shots zu den ersten World Wide Web Browsern an­ge­sehen werden:

Bei Interesse für die Ge­schichte des Inter­nets kann man sich bei­spiels­weise bei MIT Open­Course­Ware die Videos zweier Lec­tures von Bala­krish­nan (2012a, 2012b) an­sehen, in denen aus­ge­wählte As­pekte von der elek­tri­schen Tele­gra­phie – die Bala­krish­nan (2012a) als erste erfolg­reiche Kom­mu­ni­ka­tions­netz­werk­tech­no­logie be­schreibt – ins­be­son­dere über zen­trale und de­zen­trale Kom­mu­ni­ka­tions­netz­werke, ana­loge und digi­tale Tech­no­logie, Ver­läss­lich­keit von Kom­mu­ni­ka­tions­netz­werken, ARPANET, TCP/IP und das Domain Name System (DNS) bis hin zum Re­lease des World Wide Web durch Tim Berners-Lee im Jahre 1991 und darüber hinaus an­ge­sprochen werden:

Balakrishnan (2012a) betont ins­be­son­dere die Be­deu­tung von Flexi­bi­li­tät für die Archi­tek­tur von Kom­mu­ni­ka­tions­sys­temen sowie die Be­deu­tung der Er­kennt­nis, sich für Kom­mu­ni­ka­tions­sys­teme auf das Not­wen­dige zu be­schrän­ken, wobei er Antoine de Saint-Exupery in eng­lischer Über­set­zung zitiert mit: „Per­fec­tion is achie­ved, not when there is nothing more to add, but when there is nothing left to take away“. Anders aus­ge­drückt: ”Less is more” oder „When in doubt, leave it out“ (Bala­krish­nan, 2012a). Das World Wide Web ist Grund­lage weite­rer Ent­wick­lungen wie bei­spiels­weise Such­ma­schinen (seit 1993, Google seit 1998), E-Commerce (seit Mitte der 1990‘er), die Dotcom-­Blase in der Zeit von 1996 bis 2001 (Bala­krish­nan, 2012b), dem Web 2.0 oder Cloud Com­pu­ting und vielem mehr.

Internet­nut­zung in Deutsch­land

Nach Erkennt­nis­sen des Sta­tis­ti­schen Bundes­amtes (2016) gingen die rund 62 Mil­li­onen Inter­net­nut­zer­innen und Inter­net­nut­zer im ersten Quartal 2016 in Deutsch­land wie folgt online:

  • Handys oder Smart­phones: 81 %

  • Laptops oder Net­books: 69 %

  • Desktop-Computer: 65 %

  • Smart-TV: 19 %

  • Andere mobile End­ge­räte (bspw. Spiele­kon­sole, E-Book-Reader): 17 %

Vor dem Hinter­grund dieser Viel­falt an Devices gehen wir davon aus, dass Sie und viele andere Leser den vor­lie­gen­den digi­talen Studien­brief mit unter­schied­li­chen End­ge­rä­ten an­sehen; bei­spiels­weise um den Text auf einem Tablet-PC zu lesen und die inte­grier­ten Auf­gaben darüber hinaus auch auf dem Mobil­tele­fon zum Wieder­holen zu nutzen.

Was denken Sie,...

...wie sich nach den Er­kennt­nis­sen des Sta­tis­ti­schen Bundes­amtes (2016) die Inter­net­nut­zung bezüg­lich des Anteils der Inter­net­nut­zer­innen und -nutzer auf die Alters­grup­pen ver­teilt? Fol­gen­de Zu­ord­nungen sind zu treffen:

Sortieren Sie die folgen­den Be­grif­fe per Drag-­and-­drop oder durch An­klicken in die rich­tige Spalte ein!
(Begriffe können wie­der zurück­ge­legt werden.)

nahezu 100 %
93 %
55 %

10-44-Jährige 45-64-Jährige Ab 65 Jahre
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Im Jahre 2016 nutz­ten in Deutsch­land 63,7 Mil­li­onen Per­so­nen ab 10 Jahre das Inter­net, was 87 % ent­spricht (Sta­tis­ti­sches Bun­des­amt 2016). Auf wei­tere Daten kann hier https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/EinkommenKonsumLebensbedingungen/ITNutzung/ITNutzung.html bei Inter­esse zu­ge­grif­fen werden.

Der größte Inte­rnet-Knoten­punkt der Welt

Was denken Sie, wo sich gemes­sen in Daten­volumen pro Sekunde der größte Inter­net-Knoten­punkt der Welt be­findet?

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[Video-URL: https://www.youtube.com/embed/9Lz6EMWrMds?rel=0]

© DW Deutsch; YouTube Kanal: https://www.youtube.com/user/deutschewelle

1.3.2 Ausge­wähl­te Er­kennt­nisse zur Ver­net­zung der be­leb­ten Ma­terie

Heutzutage kommu­ni­zie­ren Men­schen auf Basis mo­der­ner In­for­ma­tions- und Kom­mu­ni­ka­tions­tech­no­logie von weiten Teilen des Pla­ne­ten aus in Echt­zeit mit­ein­ander. Zu­nächst wird hier mit Be­trach­tun­gen zur Ver­net­zung von Men­schen be­gonnen, um an­schlie­ßend in Abschnitt 1.3.3 aus­gewähl­te As­pekte zur Ver­net­zung von Dingen an­zu­sprechen, ob­gleich über das Inter­net zu­nächst Com­puter – also unbe­leb­te Materie – mit­ein­ander ver­bunden sind. Der Grund für diese Glie­de­rung liegt darin, dass über die Ver­net­zung der Com­pu­ter letzt­lich wir Men­schen ver­netzt sind. Wenn über eine Ver­net­zung der Ort, an dem sich ein Mobil­tele­fon be­fin­det, be­kannt ist, dann ist auch der Ort der­je­ni­gen Person bekannt, die das Mobil­tele­fon be­sitzt, so­fern diese Person das Mobil­tele­fon bei sich trägt.

Mit der Reihen­folge der Unter­ab­schnitte 1.3.2 und 1.3.3 ist somit die Bot­schaft ver­bun­den, dass wir stets gut über­le­gen sollten, welche Art und ins­be­sondere welchen Um­fang an Ver­net­zung wir Men­schen eigent­lich für gut und richtig erach­ten; wohl­wis­send, dass sich die oder der ein­zelne heute schwer jeder Form der Ver­net­zung er­weh­ren kann. Umso wich­tiger ist es – gerade auch vor dem Hinter­grund von Vor­teilen, die Ver­net­zung bietet, – die Ent­schei­dung für oder gegen die eigene Ver­net­zung be­wusst zu tref­fen. Ver­net­zung sollte auch durch Unter­neh­men mit Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein ge­hand­habt werden, wozu in Kapitel 4 einiges zu erfahren ist.

Small World Problem

Bereits vor der Ein­führung des Inter­nets im Jahre 1991 (vgl. Abschnitt 1.3.1) gab es zur Ver­net­zung von Men­schen Er­staun­liches fest­zu­stellen, wie sich bei­spiels­weise am Small World Problem (Travers & Milgram 1969) zeigt. Travers und Milgram (1969) zeig­ten an­hand einer Stich­probe in den USA, dass zwei im Versuch aus­ge­wählte Men­schen sich durch­schnitt­lich über etwas mehr als 5 andere Men­schen kennen. Genauer er­mit­telten Travers und Milgram (1969, S. 425): „[...] the mean number of inter­medi­aries between star­ters and tar­gets is 5.2”. Zu­grunde lag hierbei eine 1967 von Milgram ent­wickel­te und ge­tes­tete Me­tho­de, die den Post­ver­sand zu­grunde legte (Travers & Milgram 1969). Die Ver­öf­fent­li­chung von Travers und Milgram (1969) und die ge­nau­en me­tho­di­schen Rah­men­be­din­gun­gen können hier https://snap.stanford.edu/class/cs224w-readings/travers69smallworld.pdf ein­ge­sehen werden. In einer spä­te­ren Studie von Dodds, Muhamad und Watts (2003), die inter­net­basiert und in einem inter­na­tio­nalen Um­feld durch­ge­führt wurde, zeigte sich, dass sich eine Ver­bin­dung zwi­schen zwei Men­schen mit durch­schnitt­lich fünf bis sieben Schritten her­stel­len lässt.

Gesetz von Metcalfe

Robert Metcalfe, der Er­fin­der der Ether­net-LAN-Tech­no­logie, stell­te ein Ge­setz über das Ver­hält­nis der An­zahl Nutzer und dem Nutzen von Kom­muni­ka­tions­sys­temen auf. Geben Sie dafür bitte zu nach­fol­gender Auf­gabe einmal Ihre Ein­schät­zung ab:

Was denken Sie,...

...wie sich nach dem Gesetz von Met­calfe der Nut­zen großer Kom­mu­ni­ka­tions­sys­teme ab­hän­gig von der An­zahl an Nut­zern im je­wei­li­gen Netz­werk verhält?

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Lassen Sie uns kurz das Ge­setz von Met­calfe (Metcalfe’s Law) plau­si­bi­li­sie­ren. Stel­len wir uns hier­zu zu­nächst ein­mal die Frage, wie die An­zahl an (theo­re­tisch mög­li­chen) Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Nut­zern in einem Netz­werk von der An­zahl an Nut­zern ab­hängt. Dafür wird die fol­gen­de Tabelle auf­ge­stellt:

Tabelle 1: Zusammen­hang der An­zahl Nut­zer mit der An­zahl an theo­re­tisch mög­li­chen Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Nut­zern

Anzahl Nut­zer Anzahl theo­re­tisch mög­li­cher Ver­bin­dun­gen zwi­schen den Nut­zern
1 0
2 1
3 3
4 6
5 10
q

$$ \begin{align} \frac{ q \cdot (q-1)}{ 2 }\end{align} $$

Nehmen wir nun an, dass der Nut­zen von Kom­mu­ni­ka­tions­sys­te­men NK pro­por­tional zur An­zahl an theo­re­tisch mög­li­chen Ver­bin­dun­gen V zwischen den Nut­zern q im Kom­mu­ni­ka­tions­sys­tem steigt, dann ist zu be­wei­sen, dass NK mit dem Qua­drat der Nut­zer q2 steigt und zwar für eine große Anzahl an Nut­zern q (vgl. oben in der Frage: „große Kom­mu­ni­ka­tions­sys­teme“). Dieser Beweis lässt sich wie folgt führen:

Für große q gilt:

$$ \begin{align} NK \sim V = \frac{ q \cdot (q-1)}{ 2 } = \frac{ q^{2} - q}{ 2 } = \frac{ q^{2} }{ 2 } - \frac{ q }{ 2 } \approx \frac{ q^{2} }{ 2 } \quad (q.e.d.) \end{align} $$

und zwar unter den oben be­schrie­be­nen An­nah­men NK ~ V (NK ist pro­por­tio­nal zu V) und einer großen An­zahl q. Damit ist der an­ge­kün­dig­te Beweis ge­führt, was rechts mit dem la­tei­ni­schen Aus­druck q.e.d. zum Aus­druck ge­bracht wird, der "quod erat demon­stran­dum" (zu deutsch: was zu be­wei­sen war) be­deu­tet.

Bildlich gespro­chen: Das „Geheim­nis“ von Metcalfe’s Law liegt aus­ge­hend von dieser Plau­si­bi­li­sie­rung also in den Ver­bin­dun­gen be­grün­det.

Beispiele für große Kom­mu­ni­ka­tions­sys­teme finden sich heut­zu­tage mit den so­zia­len Me­dien im Inter­net wie bei­spiels­weise XING, LinkedIn, YouTube, Face­book, Twitter oder Insta­gram. Im be­son­de­ren Fern­stu­dien­modell der HFH ∙ Ham­burger Fern-­Hoch­schule wird das Ler­nen mit Stu­dien­briefen um die Mög­lich­keit er­gänzt nach Bedarf Präsenz- oder Online­ver­an­stal­tungen zu nutzen. Es bietet sich dann bei­spiels­weise an, sich mit seinen Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen, die man in Prä­senz­ver­an­stal­tungen ken­nen­ge­lernt hat, auch in den so­zia­len Medien zu ver­net­zen. Auf diese Weise ver­bin­det sich dann für Sie auch die reale und die di­gi­ta­le Welt spe­zi­fisch für Ihr Fern­stu­dium. Zudem kann man sich mit der HFH ∙ Ham­burger Fern-­Hoch­schule hier ver­binden:

Hier erfahren Sie bei­spiels­weise auch eini­ges zur Weiter­ent­wick­lung Ihrer Hoch­schule oder zu heraus­ra­gen­den Er­eig­nis­sen wie Absol­ven­tinnen- und Absol­ven­ten­feiern. Zu­gleich laden wir Sie herz­lich ein, sich hier im Fach­forum "Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0" (https://campus.hamburger-fh.de/index.php/forum/list) als Social Lear­ning-­Platt­form mit Ihren Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen über ak­tu­elle Ent­wick­lungen und nach Inter­esse rund um Di­gi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 aus­zu­tau­schen.

„Das Metcalfe´s Law, das Gilder´s Law und das Cooper´s Law. Alle drei werden immer mehr zu­sam­men mit dem Moore’s Law als ein zu­sam­men­hän­gen­des Er­klä­rungs­bün­del für die Ent­wick­lungs­dynamik der ge­sam­ten In­for­ma­tions- und Kom­mu­ni­ka­tions­tech­nik an­ge­sehen.“ (Hellige 2003: 7 f.). Für diese Ein­füh­rung möch­ten wir uns auf eine erste Er­wäh­nung von Metcalfe´s Law und von Moore’s Law (vgl. Abschnitt 1.3.2) be­schrän­ken.

Von Smart Talents und Prosumenten

Im Zuge zu­neh­men­der Di­gi­ta­li­sie­rung und Ver­net­zung stel­len sich ins­be­son­dere Fra­gen dazu, welche Rol­len der Mensch mit seinen Ta­len­ten und Fä­hig­kei­ten zu­künf­tig ein­nimmt. Mit den bis­he­ri­gen Aus­füh­rungen und auch den fol­gen­den wird im Rah­men des vor­lie­gen­den Stu­dien­brie­fes ten­den­ziell ein eher weiter als enger Blick­win­kel ein­ge­nom­men und in­so­weit bie­tet es sich an, nicht allein von einem Inter­net der Dinge, son­dern darüber hinaus von einem Inter­net der Dinge, Daten und Dienste zu spre­chen (vgl. For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft (2013: 10, http://www.forschungsunion.de/pdf/forschungsunion_perspektivenpapier_2013.pdf). Die Posi­tion der For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft dazu lautet: „Das Inter­net der Dinge, Daten und Dienste wird schon bald die phy­sische und die di­gi­ta­le Welt mit­ein­ander ver­schmel­zen und in­tel­li­gen­te Infra­struk­tu­ren ent­ste­hen las­sen, in denen Sub­jek­te und Ob­jek­te glei­cher­ma­ßen in Echt­zeit kom­mu­ni­zie­ren [Her­vor­hebung er­gänzt]“ (For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft, 2013: 10). In bei­den Her­vor­he­bun­gen kommt zum Aus­druck, dass die Ver­net­zung der Dinge letzt­lich mit der Ver­net­zung des Men­schen (Dienste, Sub­jekte) ein­her­geht.

Wie kann...

...im Zu­sam­men­hang mit den Über­le­gun­gen einer Smart Service Welt die zu­künf­tige Rolle des Men­schen cha­rak­te­ri­siert werden (nach den Aus­füh­run­gen des Ar­beits­kreis Smart Service Welt der DEUT­SCHEN AKA­DE­MIE DER TECH­NIK­WIS­SEN­SCHAF­TEN acatech; http://www.acatech.de/fileadmin/user_upload/Baumstruktur_nach_Website/Acatech/root/de/Projekte/Laufende_Projekte/Smart_Service_Welt/Smart_Service_Welt_2015/BerichtSmartService2015_D_lang_bf.pdf)?

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Neue Wege der Kom­mu­ni­ka­tion – Per­sonal Bran­ding in so­zialen Netz­werken oder Mach Dich zur Marke (Gast­­bei­­trag von Julia Holze)

So­ziale Medien sind in aller Munde. Einige Men­schen nutzen Twitter, Face­book und Co., andere halten sie für über­flüssig und wieder andere löschen nach Daten­skan­dalen ihre Accounts. Viele Jahre ge­hörte auch ich zu den kri­ti­schen Stim­men, die mit ihren Freunden, Be­kann­ten und Kun­den lieber das per­sön­liche Ge­spräch suchte als in 140 Zeichen zu ver­künden, was ich gerade mache oder wo ich bin. Business­netz­werke im In­ter­net, wie Xing und LinkedIn, waren für mich le­dig­lich ver­altete Online-Te­le­fon­bücher. Einen Mehr­wert für mein be­ruf­liches oder pri­vates Leben konnte ich nicht er­kennen.

Mittler­weile musste ich mir ein­ge­stehen, dass ich den po­si­ti­ven Ein­fluss dieser Medien auf meine täg­liche Arbeit deut­lich unter­schätzt habe – trotz­dem oder gerade weil ich lieber mit meinen engen Kontakten im per­sön­lichen Aus­tausch bin. Denn die ver­schie­denen Netz­werke – und damit beziehe ich mich konkret auf LinkedIn, Twitter und Instagram – sind in­zwischen für mich wichtige Quel­len für Zu­sammen­arbeit und In­spi­ra­tion ge­worden: sie legen die Basis für viele neue Kon­takte, den Start für span­nende Kon­ver­sa­tionen und damit den Aus­gangs­punkt von ge­mein­samen Pro­jekten sowie sind sie Re­cher­che­tools für aktuelle Trends.

Wie es dazu kam? Vor etwa zwei Jahren wurde ich in das Netz­werk von LinkedIn ein­ge­laden und wei­gerte mich er­folg­reich über mehrere Wochen hin­weg bei­zu­treten. Bis ein Kollege einen in­ter­es­san­ten Artikel zur Be­deu­tung von Social Media im Business-to-Business-Ge­schäft auf der Platt­form ent­deckt hatte und ihn mit mir dort teilen wollte. Als Mar­ke­ting­leite­rin war ich gleich neu­gierig über den Inhalt und meldete mich an. Und tat­säch­lich, es war ein wert­voller Artikel, der mich mit mehreren The­sen zum Nach­denken anregte. Das Eis war aus zweier­lei Hin­sicht ge­bro­chen: Zum einen erkannte ich, dass in On­line-­Netz­werken sehr wohl wert­volle In­for­ma­tionen ge­teilt werden, die mein Wissen er­wei­tern und re­le­vant für meine täg­liche Arbeit sind und zum anderen, dass es wichtig ist neue Wege zu­min­dest aus­zu­probieren, wenn wir im B2B-­Produkt­geschäft dauer­haft be­stehen wollen.

Zu diesem Zeit­punkt bewegte ich mich eher als pas­sive Leserin von In­hal­ten anderer in den sozialen Medien und meldete mich aber wenig später auch bei Twitter an. Hier war es eher die Neu­gierde, das Medium kennen­zu­lernen. Nach einiger Zeit des Be­ob­ach­tens er­kannte ich, auch selbst wert­volle In­for­ma­tionen mit den Men­schen in meinem Um­feld teilen zu können, indem ich Bei­träge teile/re­tweete. Ich postete meinen ersten Bei­trag und war er­schrocken über dessen Reich­weite:

Drachenbild Julia.jpg
Abb. 1.4: Foto aus der Berliner U-Bahn.

Ein Foto aus der Ber­liner U-Bahn mit einem flap­sigen Kom­men­tar brachte mir 6.000 Views, 18 Kom­men­tare und 76 Likes allein auf LinkedIn ein. Das heißt, dass deut­lich mehr als die paar hun­dert meiner Kon­takte den Bei­trag ge­sehen hat­ten. Zu­nächst glaubte ich noch an ein One-­Hit-­Wonder, wurde jedoch eines bes­se­ren be­lehrt, denn auch die Pro­fil­an­sichten und Kon­takt­an­fragen ent­wickel­ten sich ent­spre­chend nach oben. Ich begann nicht nur aktiv ei­ge­ne Bei­träge zu ge­ne­rie­ren, sondern be­tei­ligte mich zu­neh­mend an Dis­kus­sionen. Ähn­li­ches pas­sier­te auch auf Twitter. Nach dem ersten Tweet er­hielt ich neue Follower und ich folgte da­rauf­hin ge­zielt Men­schen, um in­ter­es­sante In­halte in meiner Time­line an­ge­zeigt zu be­kommen. Beide Medien ent­wickel­ten sich zu einem wert­vollen Re­cher­che­tool für ak­tu­elle fach­liche In­halte und Er­eig­nisse.

Ich stellte fest, dass sich sowohl auf LinkedIn als auch auf Twitter einige Gruppen ge­bil­det hatten, die sich gegen­seitig mit Fach­wissen be­fruch­te­ten und an­geregt dis­ku­tier­ten. Doch was würden diese den­ken, wenn ich mich auf einmal be­tei­li­gen würde? Was darf ich ei­gent­lich teilen? Und was in­ter­es­siert die Nut­zer*in­nen? Welches Ziel wollte ich mit dem, was ich dort tue, ver­folgen?

Ich musste mich mit meiner Personal Brand aus­ein­an­der­setzen. Meiner ei­ge­nen Marke. Wie wollte ich wahr­ge­nommen wer­den und wofür wollte ich stehen? Allein aus dem Grund, dass ich für mich selbst fest­legen wollte, was ich mit meinen neuen On­line-Netz­werken privat und beruf­lich teilen wollte – oder eben nicht. Denn in der Zwischen­zeit war ich durch einige Tweets neu­gierig ge­worden, was es mit sog. Insta­stories auf Instagram auf sich hatte. Ein Medium, das ich für mich bis dato als rein privat ein­ge­stuft hatte.

Obwohl es für mich all­täg­lich ist, Pro­dukte zu po­si­tio­nieren, deren Kunden­nutzen he­raus­zu­ar­beiten und ent­spre­chende Kom­mu­ni­ka­tions­maß­nahmen zu ent­wickeln, war all dies für mich selbst zu tun eine große He­raus­for­derung – schließ­lich war ich nun das Produkt. Letzt­lich bin ich es ge­nauso an­ge­gangen, wie für alle anderen Pro­dukte bis­her auch, und habe mir die fol­genden Fragen ge­stellt:

  • Was mache ich beruf­lich und wie mache ich es?

  • Welche Talente und Fähig­keiten habe ich?

  • Was sind meine Werte und was treibt mich an?

  • Wer bin ich und was unter­schei­det mich von anderen?

  • Welches Verkaufs­ver­sprechen kann ich glaub­würdig geben?

  • Wie kann ich mich von anderen, mit ähn­lichen Talen­ten, wie ich sie habe, unter­scheiden?

  • Wer ist eigent­lich meine Ziel­gruppe und wo finde ich diese?

  • Wie kann ich meine Ziel­gruppe auf mich auf­merk­sam machen und an mich binden?

  • Wie viel Zeit, Geld und ggf. Trainings möchte ich in­ves­tie­ren? Brauche ich Partner, um meine Ideen um­zu­setzen?

  • Was möchte ich mit Personal Branding er­reichen?

Dabei handelt es sich um einen sehr re­flek­ti­ven Prozess, für den ich ver­schie­denste Me­thoden und Tools ein­ge­setzt habe. Dazu zählen u.a. der Business Model You-Canvas von Dr. Timothy Clark (http://businessmodelyou.com/german/) und die Start with Why-Methodik von Simon Sinek (https://startwithwhy.com/).

Wie nutze ich die drei ge­nann­ten so­zia­len Medien heute? LinkedIn ist ein Busi­ness-Netz­werk und dort teile ich rein beruf­lich ge­prägte In­for­ma­tio­nen. Dazu zählen für mich in­ter­es­sante (Fach-)­Artikel, Ver­an­stal­tungs­be­richte sowie Bei­träge zu neuen Pro­dukten, die wir be­kannt machen möchten, und zu meinen täg­lichen He­raus­for­de­run­gen. Diese Beiträge sind in der Regel mit per­sön­li­chen Kom­men­taren versehen. Zu­dem re­cher­chiere ich in dem Netz­werk und suche die rich­tigen Kontakte für eine po­ten­tielle Zu­sam­men­arbeit.

Twitter hin­gegen ist deut­lich schnell­lebiger als LinkedIn, d.h. die dor­ti­gen In­hal­te sind schnel­ler über­holt und be­ziehen sich oft auf das tages­ak­tu­elle Ge­sche­hen. Dort teile ich ebenso in­ter­es­san­te Artikel, be­richte live von Ver­an­stal­tungen, die ich besuche, oder poste was gerade ak­tuell um mich her­um passiert. Das können auch schon mal Zitate vom Abend­essen mit meinem Sohn oder lustige Anek­doten mit Kolle­gin­nen und Kolle­gen sowie Freunden sein. Eben alles, was in gegen­wärtig 280 Zeichen hinein­passt. Viele Follower habe ich in­zwi­schen per­sön­lich kennen­ge­lernt, wobei ich den Aus­tausch bei Twitter viel­fach in­for­meller und oft mit einem Augen­zwinkern erlebe.

Auf Instagram be­treibe ich in­zwischen mehrere Accounts. Einen mit meinem vollen Namen, auf dem ich aus meinem be­ruf­lichen wie pri­vaten All­tag berichte, und einen unter einem Pseudonym, den ich nur für mein Hobby – die Fotografie – nutze. In Insta­stories berichte ich oft aus meinen Work­shops, von Ver­an­stal­tungen und Dienst­reisen, die ich dann als Videos spei­chere und für die interne Kom­mu­ni­kation nutze. Das er­spart mir das Er­stel­len von Foto­proto­kollen oder das Schreiben von Be­rich­ten für die Kolle­ginnen und Kollegen.

Diese Auf­teilung auf die drei Platt­formen/Netzwerke ver­ein­facht es mir, die ver­schie­de­nen Ziele und Ziel­gruppen mit den rich­tigen In­hal­ten zu be­die­nen.

Soziale Medien sollten m.E. immer eines sein: Eine Re­prä­sen­ta­tion der eigenen Per­sön­lich­keit, nicht ihr Ersatz. Denn nur wer au­then­tisch ist, kann eine trag­fähige Bin­dung zu seinen Followern auf­bauen. Diese Bindung und Ver­netzung kann über die zu­nächst nur vir­tu­elle Zu­sam­men­ar­beit auch ins reale Leben über­tragen werden. Heute treffe ich mich mehr­mals im Monat mit einem meiner Social-Media-Kontakte, um aus dem vir­tu­ellen Netz­werk eine echte Commu­nity zu machen. Aktuell baue ich bei­spiels­weise mit zwei Partnern ein Netzwerk von In­no­va­tions­manager­innen und -managern, Di­gi­tal-Trans­for­mation-Manage­rinnen und -Managern sowie Change-Bot­schaf­ter­innen und -Bot­schaf­tern auf und re­kru­tiere die Teil­nehmer*innen für Co-Crea­tion-Work­shops zum Thema Mo­bi­li­tät der Zukunft über LinkedIn und Twitter.

1.3.3 Ausge­wähl­te Er­kennt­nisse zur Ver­net­zung der un­be­leb­ten Ma­terie

Die Vernet­zung der un­be­leb­ten Ma­te­rie ver­bun­den mit dem The­men­kom­plex Indus­trie 4.0 hängt, wie wir be­reits ge­se­hen haben, eng mit Be­grif­fen wie

  • Internet der Dinge, Daten und Dienste,

  • cyber-physischen Systemen (CPS) und auch cyber-phy­si­schen Pro­duk­tions­sys­temen (CPPS) sowie

  • Smart Factories und Smart Devices

zusam­men und ba­siert auf der Ent­wick­lung und Ver­knüp­fung der Tech­no­lo­gien rund um

  • kleine (hoch­leis­tungs­fä­hige) Com­pu­ter und

  • dem Internet

(For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft, 2013: 10 und 54 ff.). Die For­schungs­union Wirt­schaft und Wissen­schaft (2013: 55) be­schreibt die Ent­wick­lung wie folgt: „In ihrem Kern re­sul­tiert diese Re­vo­lu­tion aus der evo­lu­tio­nären Ent­wick­lung und der Kon­ver­genz zwei­er Tech­no­lo­gien: auf der einen Seite sind dies die ein­ge­bet­te­ten Sys­teme – hoch­leis­tungs­fä­hige »Kleinst­com­pu­ter«, die in alle mög­li­chen Ob­jek­te in­te­griert werden und sie so mit In­tel­li­genz ver­sehen. Aus­ge­stat­tet mit Sen­so­ren und Ak­tua­to­ren, er­fas­sen in­tel­li­gente Ob­jek­te Daten aus ihrer Um­ge­bung und wir­ken auf diese zurück. Auf der ande­ren Seite schrei­tet der Aus­bau des Inter­nets in großen Schrit­ten voran. So­zia­le Netz­werke und Ge­schäf­te im vir­tuel­len Raum er­le­ben eine steil an­wach­sende Nach­frage. [...] Die tech­ni­sche Ent­wick­lung vom Groß­rech­ner über den Per­so­nal­com­pu­ter (PC) bis zur Be­reit­stel­lung von IT-In­fra­struk­tu­ren über Netz­werke (Cloud Computing) führt im Zu­sam­men­spiel mit der immer weiter fort­schrei­ten­den Mini­aturi­sie­rung der Com­pu­ter zu­neh­mend zur All­gegen­wär­tig­keit der rech­ner­ge­stütz­ten In­for­ma­tions­ver­ar­bei­tung. [Her­vor­he­bungen er­gänzt]“.

Hiermit setzt sich ins­ge­samt eine Ent­wick­lung fort, die in ei­ni­gen Be­rei­chen – vor allem auch in der Ver­net­zung vor allem großer Dinge – be­reits im tag­täg­li­chen Leben vie­ler Men­schen an­ge­kom­men ist, wie fol­gen­de Bei­spiele zeigen:

  • Online buch­bare Taxi­dienste – Zu­sam­men­füh­rung von Nach­frage und An­ge­bot mit­tels Ein­satz von Apps, Ver­net­zung der Kraft­fahr­zeuge

  • Online buch­bare Fahr­räder – Zu­sam­men­füh­rung von Nach­frage und An­ge­bot mit­tels Ein­satz von Apps, Ver­net­zung der Fahr­räder an Sammel­punkten

  • Reparatur von Kraft­fahr­zeu­gen – Aus­lesen von Daten aus in Kraft­fahr­zeugen ver­bau­ten Com­pu­tern zwecks Schaden­ana­lyse in Werk­stätten

  • automatisierte Picking Sys­teme in der Kon­fek­tio­nie­rung

  • Online nachvoll­zieh­bare Posi­tion von Pa­ke­ten (Tracking and Tracing)

  • Online-Liefer­dienste

  • Online-Banking

Verbunden mit der Ver­net­zung von Din­gen kön­nen neue Formen der Ver­net­zung von Dingen, Daten und Diens­ten ent­ste­hen. Bei­spiele sind nach dem Ar­beits­kreis Smart Service Welt (2015: 2) folgende:

  • „Smart Production Services I – Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung in digi­ta­len Öko­sys­temen

  • Smart Production Services II – Ein Markt­platz für Tech­no­lo­gie­daten

  • Smart Logistic Services – (See-)Häfen und Schwer­last­trans­port

  • Smart Energy Services – Ein Blick in den Ener­gie­wende-App-Store

  • Smart Farming Services – Pro­duk­ti­vi­täts­stei­ge­rung durch Ver­net­zung

  • Smart Health Care Services – Der Patient im Mittel­punkt“

Cyber-physische Sys­teme (CPS) und cyber-phy­sische Pro­duk­tions­sys­teme (CPPS)

Um die bereits an­ge­spro­che­nen Smart Fac­to­ries zu er­mög­lichen, sind cyber-phy­si­sche Sys­teme eine wich­tige Vor­aus­set­zung. Als cyber-phy­si­sche Sys­te­me (CPS) gelten „auto­no­me phy­si­sche Ob­jek­te mit ein­ge­bet­te­ten Mini­com­pu­tern, die draht­los und über das Inter­net mit­ein­ander ver­netzt sind. So kann im Inter­net der Dinge, Daten und Dienste jedes tech­ni­sche Gerät mit jedem an­de­ren Gerät in der Welt in ho­her Ge­schwin­dig­keit In­for­ma­tio­nen aus­tau­schen. Ak­tu­elle In­for­ma­tio­nen über den Zu­stand ein­zel­ner Geräte und über ihre Um­ge­bung sind jeder­zeit ab­ruf­bar. Selbst über große räum­liche Dis­tan­zen hin­weg kön­nen tech­ni­sche Infra­struk­tu­ren über­wacht und be­dient werden. Durch die Ver­net­zung kann eine Viel­zahl an kom­ple­xen tech­ni­schen Pro­zes­sen gleich­zei­tig ge­steu­ert und opti­mal auf­ein­ander ab­ge­stimmt werden. Diese Ent­wick­lung wird alle wich­ti­gen tech­ni­schen Sys­teme des In­fra­struk­tur­ma­nage­ments prä­gen – von der Ener­gie­ver­sor­gung über die Ver­kehrs­steu­e­rung bis hin zum Manage­ment ur­ba­ner Bal­lungs­räume“ (For­schungs­union Wirt­schaft und Wis­sen­schaft 2013: 55).

Für die reale Um­set­zung von CPS gibt es eine Reihe von Her­aus­for­de­rungen, die in einem Thesen­papier des Ver­eins Deut­scher Inge­nieure wie folgt an­ge­ge­ben werden (VDI 2013: 3):

  • "Die komplexen Inter­ak­tio­nen von rea­ler An­lage, steu­ern­der und über­wa­chen­der Soft­ware und den of­fe­nen, glo­ba­len Kom­mu­ni­ka­tions­net­zen müs­sen be­herrscht werden.

  • Aufgrund der durch die zu­neh­men­de Ver­net­zung kom­plexer wer­den­den An­la­gen müs­sen die Mensch-Ma­schine-Schnitt­stel­len an­ge­passt bzw. neu ge­stal­tet werden.

  • Die bisher ver­schie­de­nen Vor­ge­hens­wei­sen und un­ter­schied­lich langen Le­bens­zyk­len in der In­for­ma­tions­tech­nik, in der In­for­ma­tik, in der Me­cha­nik, in der Auto­ma­ti­sie­rungs­tech­nik und in ihren An­wen­dungs­ge­bie­ten wie Pro­duk­tions­tech­nik, Pro­zess­tech­nik, Ener­gie­tech­nik und Fahr­zeug­bau müssen zu­sam­men­ge­bracht werden.

  • Die bisher hetero­ge­nen Sys­tem­struk­tu­ren müs­sen ein­ander an­ge­passt wer­den und müs­sen mit­ein­ander funk­tio­nie­ren. Hier­für sind Refe­renz­ar­chi­tek­turen er­for­der­lich.

  • Zur Entwurfszeit nicht vor­her­seh­bare Än­de­run­gen im Be­trieb mit CPS (z. B. nach­ge­la­dene Ap­pli­ka­tio­nen, ver­än­der­te Sys­tem­to­po­lo­gien) müssen pro­blem­los inte­griert wer­den können.

  • Die Sicher­heit CPS-basier­ter Auto­ma­ti­sie­rungs­lö­sun­gen muss auf dem hohen Stan­dard der heu­ti­gen Auto­ma­tion ge­währ­leis­tet bleiben."

Technische Poten­ziale bzw. Vor­teile cyber-phy­si­scher Sys­te­me sind laut dem Thesen­papier des VDI (2013: 5) unter ande­rem die "auto­ma­tische Opti­mie­rung von Sys­te­men und Per­so­nal­ka­pa­zi­täten z. B. be­züg­lich Kos­ten, Ressour­cen­ver­brauch oder Durch­satz" sowie die "Selbst­dia­gnose der Kom­po­nen­ten und An­lagen zum Ziel der Mini­mie­rung von War­tungs­kos­ten, Still­stand­zeiten und Ver­schleiß". Ein Haupt­vor­teil aus be­triebs­wirt­schaft­licher Be­trach­tungs­weise und ein we­sent­li­ches Ziel der Indus­trie 4.0 wird an­hand des Be­griffs Mass Cus­tomi­zation zum Aus­druck gebracht, der die Massen­pro­duk­tion und kun­den­an­ge­passte, indi­vi­du­elle Pro­duk­te mit­ein­ander ver­knüpft. Wie im Video zu Smart Fac­to­ries in Kapi­tel 1 bereits er­läu­tert wurde, spielt hier eben­falls das Schlag­wort "Los­größe 1" eine wichtige Rolle.

Die Forschungs­union Wirt­schaft und Wis­sen­schaft (2013: 56) geht in ihrem Pers­pek­tiven­papier noch einen Schritt weiter, in­dem dort Fol­gen­des be­schrie­ben wird: „Unter­neh­men werden zu­künf­tig ihre Ma­schi­nen, Fer­ti­gungs­an­lagen und Fa­bri­ken als cyber-phy­sische Pro­duktions­sys­teme (CPPS) welt­weit ver­net­zen und pro­duk­tions­rele­vante Pro­zesse punkt­genau auf­ein­ander ab­stimmen können. CPPS um­fassen dem­nach in­tel­li­gente Ma­schi­nen, Lager­sys­teme und Be­triebs­mittel, die durch­gän­gig von der Ein­gangs­lo­gis­tik über die Pro­duk­tion, das Marke­ting und die Aus­gangs­lo­gis­tik bis zum Ser­vice in­for­ma­tions­tech­no­lo­gisch mit­ein­ander ver­knüpft sind. CPPS er­öff­nen die Mög­lich­keit, Steu­e­rungs- und Rege­lungs­pro­zesse sehr viel dif­fe­ren­zier­ter aus­zu­ge­stal­ten. Für das ver­ar­bei­ten­de Ge­wer­be be­deu­tet dies einen Epochen­um­bruch. Dieser ist mit den drei großen in­dus­tri­el­len Revo­lu­tio­nen ver­gleich­bar, die den Weg in die mo­der­ne In­dus­trie­ge­sell­schaft ge­eb­net haben: die Ein­füh­rung der Dampf­ma­schine Ende des 18. Jahr­hun­derts, die Er­fin­dung des Fließ­bands Ende des 19. Jahr­hun­derts und schließ­lich die Ent­wick­lung der elek­tro­ni­schen Steu­e­rung in der zwei­ten Hälf­te des 20. Jahr­hun­derts. Aus der nun an­ste­hen­den vier­ten Indus­trie­re­vo­lu­tion wird die Indus­trie 4.0 her­vor­gehen“. Ver­ge­gen­wär­ti­gen Sie sich nun bitte ein­mal die Zu­sam­men­hänge dieser Cha­rak­te­ri­sie­run­gen für die in­dus­tri­el­le Ent­wick­lung mit den rich­ti­gen Lö­sun­gen der zwei­ten Auf­gabe in Ab­schnitt 1.1.

Weiterführenden Ge­dan­ken und The­men kön­nen Sie mit Hilfe der fol­gen­den Links nach­gehen:

Digitaler Zwilling – aus­ge­wählte Bei­spiele (Gast­bei­trag von Dr.-­Ing. Wil­helm Specker)

Die zu­neh­mende Ein­bet­tung von Rech­ner­tech­nik in Ob­jekte und die Ver­net­zung schaffen neue Mög­lich­keiten zur Stei­ge­rung der Ef­fi­zienz, für die vor­aus­schau­ende War­tung und für eine in­di­vi­du­ali­sierte Pro­duktion. Diese man­nig­fal­tigen Po­ten­ziale er­geben sich unter anderem aus der Nut­zung so­ge­nann­ter digi­taler Zwil­linge, mit deren Hilfe Daten zu­sammen­ge­fasst und aus­ge­tauscht wer­den. Ein digi­taler Zwil­ling ist die digi­tale Re­prä­sen­tanz eines Ob­jektes, eines Pro­zes­ses oder einer Idee. Dabei können zum Bei­spiel Ei­gen­schaf­ten, Zu­stände und/oder das Ver­hal­ten eines Ob­jektes durch Da­ten, Mo­delle oder Al­go­rithmen im digi­talen Zwil­ling ab­ge­bildet werden.

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Abb. 1.5: Bei­spiele für re­ale Ob­jek­te mit ihren di­gi­talen Zwil­lingen in der Cloud.

Die Ob­jekte können phy­sisch exis­tieren oder sich in der Ent­wick­lung bzw. Pla­nung be­finden. Ein digi­taler Zwil­ling ist dabei ein­deu­tig einem ein­zelnen Ob­jekt zu­ge­ordnet und kann in einem Spei­cher die­ses Ob­jek­tes oder auf einem zu­ge­ordneten Netz­werk­speicher ab­ge­legt werden. Be­kannt sind solche digi­talen Re­prä­sen­tanzen nicht nur als digi­taler Zwil­ling, son­dern im Rah­men von In­dus­trie 4.0 und unter be­stimm­ten Vor­aus­set­zungen auch als digi­tale Ver­wal­tungs­schale (vgl. Heidel et al. 2017: 17-30). Hier soll exem­pla­risch ge­zeigt wer­den, welche An­wen­dungs­po­ten­ziale der digi­tale Zwil­ling haben kann.

Beispiel Auto­mobil:

Ein digi­taler Zwil­ling kann be­reits während der Ent­wick­lung und/oder der Her­stel­lung eines Pro­duk­tes, z. B. eines Fahr­zeugs, mit Daten aus seinem Ent­ste­hungs­pro­zess ver­sehen wer­den (vgl. Weiss 2017). Im Pro­duk­tions­pro­zess ent­stehen diese Daten bei­spiels­wei­se im Rah­men der Quali­täts­siche­rung bei einer techn­ischen Ab­nah­me oder einer ers­ten In­be­trieb­nahme vor Aus­lie­fe­rung. Da­bei do­ku­men­tieren sie die techn­ische Leis­tungs­fähig­keit eines Ge­rätes an­hand spe­zi­fi­scher Mess- und Ka­li­brier­wer­te oder die Ein­hal­tung von To­le­ranzen. Bis­her lie­gen solche Daten oft­mals nur (lokal ge­spei­chert) beim Her­stel­ler eines Pro­duk­tes vor. Ein di­gi­taler Zwil­ling kann während des Lebens­zyk­lus‘ eines tech­nischen Ge­rätes, u. a. mit Mess­daten aus dem lau­fen­den Be­trieb (eines Fahr­zeugs), er­gänzt wer­den. Während eines Ser­vice­ein­satzes oder auch im lau­fen­den Be­trieb können Ver­schleiß­werte und in­di­vi­du­elle Nut­zungs­dauern an­ge­passt werden. Die in den digi­talen Zwil­lingen ab­ge­leg­ten Daten stehen für viel­fäl­tige An­wen­dungs­zwecke für ver­schie­dene Ak­teure zur Ver­fü­gung. Die War­tung z. B. eines Fahr­zeugs lässt sich an­hand der Daten im digi­talen Zwil­ling nach tech­nischer Not­wen­dig­keit vor­aus­schauend und in­di­vi­duell or­ga­ni­sieren. Denk­bar ist auch, da­durch große Fahr­zeug­flotten ef­fi­zi­enter zu ma­na­gen und nach­hal­tiger zu ge­stal­ten oder die Rest­werte eines Fahr­zeugs prä­ziser und au­to­ma­tisiert zu be­stim­men.

Beispiel Vor­aus­schau­ende War­tung/In­stand­hal­tung:

Die An­for­de­rungen an die Ver­füg­bar­keit sind für die Kom­po­nenten in in­dus­tri­ellen Pro­duk­tions­an­lagen sehr hoch. Einer vor­aus­schau­enden War­tung bzw. In­stand­haltung kommt daher eine be­sondere Be­deu­tung zu. Dies gilt bei­spiels­weise für Mar­kier­ge­räte bzw. Drucker in auto­ma­ti­sierten Ver­packungs­ma­schinen. Durch eine Ver­netzung der Markier­ge­räte haben quali­fi­zierte Ser­vice­tech­niker*in­nen des Her­stel­lers über eine Be­nutzer­schnitt­stelle Zu­griff auf den digi­talen Zwil­ling eines beim Kun­den in­stal­lierten Ge­rätes (vgl. Domino printing sciences 2018: 8 f.) und können da­durch den Kun­den bei War­tungs­ar­beiten unter­stützen. Die im digi­talen Zwil­ling ab­ge­bil­deten Daten hel­fen bei einer vor­aus­schau­enden War­tung und In­stand­hal­tung im in­dus­tri­ellen Um­feld und er­mög­lichen neue For­men der Ar­beits­tei­lung. Die Daten im digi­talen Zwil­ling können im lau­fen­den Be­trieb eines Ge­rätes au­to­ma­ti­siert an­hand hinter­leg­ter Mo­delle, z. B. Ver­schleiß­mo­delle, aus­ge­wertet wer­den. An­hand von Sen­sor­da­ten zum Bei­spiel aus einer Flug­zeug­tur­bine wer­den ver­blei­bende Nut­zungs­dau­ern be­rech­net und eine vor­aus­schau­ende War­tung kann ef­fi­zien­ter ge­plant wer­den (vgl. Pa­tent­an­mel­dung US2017286572-A1).

Beispiel In­dus­trie 4.0:

Eine digi­tale Ver­wal­tungs­schale als digi­taler Zwil­ling er­mög­licht grund­le­gend neue Konzepte für eine auto­ma­ti­sierte Pro­duk­tion: In­for­ma­tionen über vor­zu­neh­mende Be­ar­bei­tungs­schritte in der in­dus­tri­ellen Fer­ti­gung (z. B. Boh­ren, Fräsen) wer­den di­rekt vom Werk­stück an eine Werk­zeug­ma­schine über­tra­gen. Der Daten­aus­tausch fin­det konkret zwi­schen den Ver­waltungs­schalen von Werk­stück und Maschine statt und wird an­hand eines In­ter­aktions­pro­to­kolls fest­ge­halten (vgl. Vialkowitsch et. al. 2018: 5). Damit ist eine de­zen­trale Fer­ti­gungs­steuerung mö­glich und das ggf. her­steller­über­grei­fend über die Wert­schöp­fungs­kette. Zu­künf­tig ist denk­bar, dass auch An­ge­bots­er­stel­lung und Be­auf­tra­gung vir­tuell an­hand der Ver­wal­tungs­schalen statt­fin­den.

Über die hier aus­ge­wählten Bei­spiele hinaus bil­den digi­tale Zwil­linge grund­sätz­lich eine Basis für neue Ge­schäfts­mo­delle, wozu sich bei acatech (2018: 28) nach­lesen lässt.

Nicht­technisches Bei­spiel:

Der digi­tale Zwil­ling ist dabei nicht auf tech­nische An­wen­dungen be­schränkt, sondern wird bei­spiels­weise in der Medizin als vir­tu­eller Patient dis­ku­tiert, um me­di­zi­nische Daten oder Mess­werte ei­nem In­di­vi­duum zu­zu­ordnen (vgl. Lehrach et. al. 2018).

1.4 Künstliche Intelligenz

Im Rahmen ihres Kur­ses „Arti­fi­cial In­tel­li­gence (AI)“ (Künst­liche In­tel­li­genz (KI)) greift Allison Elliott (2017) auf der Platt­form edX auf das Webster Dictio­nary zurück und gibt als grund­le­gen­de De­fi­ni­tion für In­tel­li­genz – un­ab­hän­gig davon, ob es sich um mensch­liche oder künst­liche In­tel­li­genz han­delt – an: Intel­li­genz ist die Fä­hig­keit zu Ler­nen und Pro­ble­me zu lösen. Bei künst­licher In­tel­li­genz han­delt es sich nach Elliott (2017), die auf McCarthy als einen Pio­nier zu künst­licher In­tel­li­genz zu­rück­greift, kurz aus­ge­drückt um die Wis­sen­schaft und Tech­nik des Her­stel­lens in­tel­li­gen­ter Ma­schi­nen. Elliot (2017) gibt al­ler­dings mit Bezug auf Russell und Norvig auch folgende Definition an:

„The study and design of in­tel­li­gent agents, where an in­tel­li­gent agent is a sys­tem that per­ceives its en­vi­ron­ment and takes act­ions that maxi­mize its chances of suc­cess.“

Die Entwick­lun­gen rund um Künst­liche In­tel­li­genz werden erst durch Di­gi­ta­li­sie­rung mög­lich. Hier­bei zei­gen sich Ver­bin­dun­gen zu den Ge­dan­ken im Zu­sam­men­hang mit Indus­trie 4.0 (vgl. Kapitel 1), wobei gleich­zei­tig die Frage auf­kommt, wie mensch­liche und künst­liche In­tel­li­genz zu­künf­tig zu­sam­men­wir­ken. Nach Wahlster (2017) ist Künst­liche In­tel­li­genz in Teil­be­rei­chen kog­ni­ti­ver In­tel­li­genz dem Men­schen über­legen (schnel­le Ana­lyse vie­ler Daten und Hand­lungs­op­tio­nen), wäh­rend bei senso­mo­to­ri­scher In­tel­li­genz der Mensch Über­le­gen­heit in Sen­sor­fu­sion und Fein­mo­to­rik zeigt. Bei der emo­tio­na­len und sozia­len In­tel­li­genz „gibt es bei KI-Sys­te­men noch große Schwä­chen und erst ein­fache Mo­del­le für die Er­ken­nung von Emo­tio­nen und sozia­lem Ver­hal­ten“ (Wahlster 2017). Ein­zel­ne Be­rei­che kön­nen dem­nach be­reits durch KI-Sys­te­me ab­ge­deckt wer­den, wobei nach Daven­port (2016) künst­liche In­tel­li­genz den Men­schen be­züg­lich Sinn­ge­bung und Den­ken vom Großen und Ganzen heute nicht über­trifft (vgl. Kapitel 1).

Wie in einem Bei­trag von Paul Daugherty aus dem Jahre 2016 nach­zu­lesen ist (https://www.weforum.org/agenda/2016/12/how-artificial-intelligence-could-change-the-face-of-business/?utm_content=buffereadaa&utm_medium=social&utm_source=twitter.com&utm_campaign=buffer), haben bei­spiels­weise Pro­gram­me zur Er­ken­nung na­tür­li­cher Sprache (bspw. Siri oder Alexa), zur Ge­sichts­er­ken­nung und zur Gesten­er­ken­nung mit künst­li­cher In­tel­li­genz zu tun. Die Ent­wick­lungs­ge­schich­te Künst­li­cher In­tel­li­genz zeigt sich auch darin, dass Com­pu­ter den Men­schen in immer mehr seiner Spie­le be­sie­gen und zwar nach Bostrom (2014, S. 20 ff.) in fol­gen­den Sta­tio­nen:

  • Backgammon, 1979

  • Othello, 1997

  • Schach, 1997

  • Scrabble, 2002

  • Bridge, 2005

  • Jeopardy!, 2010

Unter diesem Link http://www.slate.com/articles/arts/culturebox/2011/02/my_puny_human_brain.html fin­det sich ein in­ter­es­san­ter Be­richt von Ken Jennings, der – wie Brad Rutter auch – einst gegen Watson in Jeopardy! antrat. Unter diesem Link findet sich auch fol­gen­der Satz: „[...] Brad and I were the first knowledge-industry workers put out of work by the new gene­ra­tion of "thinking" machines. 'Quiz show contes­tant' may be the first job made redun­dant by Watson, but I'm sure it won't be the last.“

Darüber hinaus sind in den letz­ten Jah­ren die Spiele Go und Poker hin­zu­ge­kommen:

Diese beiden Videos auf YouTube geben einen Ein­druck vom Poker­spiel Mensch gegen künst­liche In­tel­li­genz, das durch For­scher von der Carne­gie Mellon Uni­ver­sity mög­lich wurde:

Dieses Ereignis wurde im Rah­men eines Stamm­tisches der HFH ∙ Ham­bur­ger Fern-Hochschule am 10.2.2017 dis­ku­tiert, wobei in die­sem Zu­sam­men­hang sei­tens der HFH-Mitar­bei­te­rin Frau A. Sichlidou aus Stutt­gart der Be­griff „binäres Poker­face“ ge­fal­len ist. Hierin kommt zum Aus­druck, dass ein Com­pu­ter nun auch ‚bluffen‘ ge­lernt hat.

Dass Arti­fi­cial In­tel­li­gence als ein auf­kom­men­der Tech­no­lo­gie­trend ein­ge­ord­net wer­den kann, ist in fol­gen­der Ab­bil­dung dar­ge­stellt bzw. wird laut dem World Eco­nomic Forum in Ko­ope­ra­tion mit accenture als einer der Trends 2017 ge­lis­tet (http://reports.weforum.org/digital-transformation/wp-content/blogs.dir/94/mp/files/pages/files/wef1601-digitaltransformation-200116.pdf, https://www.accenture.com/de-de/insight-disruptive-technology-trends-2017).

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Abb. 1.6: Combina­to­rial Ef­fects of Tech­no­logy (ei­ge­ne Dar­stel­lung in eng­er An­leh­nung an die Quelle: World Eco­nomic Forum: Digi­tal Trans­for­ma­tion of Indus­tries 2016a)

Zu dieser Aus­sage kommt auch das US-Markt­for­schungs­un­ter­neh­men Gartner im ak­tu­el­len "Hype Cycle for Emer­ging Tech­no­lo­gies 2017", bei dem neu auf­kom­men­de Tech­no­lo­gien be­züg­lich der Pha­sen der öf­fent­li­chen Auf­merk­sam­keit an­ge­ord­net wer­den. Dabei wur­den drei Mega­trends heraus­ge­stellt, wobei an ers­ter Stel­le Künst­liche In­tel­li­genz (KI) bzw. AI (Arti­fi­cial In­tel­li­gence) ge­nannt wird und Gartner diesen Trend mit „Arti­fi­cial In­tel­li­gence (AI) Every­where“ (Künst­liche In­tel­li­genz über­all) be­schreibt. Kon­kret wer­den un­ter diesem Schlag­wort bei­spiels­weise Deep Learn­ing, auto­nome Fahr­zeuge, kom­mer­ziell ge­nutz­te Droh­nen, ma­schi­nel­les Ler­nen und Smart Robots ein­ge­ord­net (http://www.gartner.com/smarterwithgartner/top-trends-in-the-gartner-hype-cycle-for-emerging-technologies-2017/).

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Abb. 1.7: Gartner Hype Cycle for Emer­ging Tech­no­lo­gies 2017 (ei­ge­ne Dar­stel­lung in eng­er An­leh­nung an die Quelle: Gartner 2017)

Wie Sie sehen, lie­gen span­nen­de Ent­wick­lun­gen vor uns, die Sie bei­spiels­weise über den Pres­se­spie­gel des Deut­schen For­schungs­zen­trums für Künst­liche In­tel­li­genz (DFKI; https://www.dfki.de/web/presse/pressespiegel) ver­fol­gen können.

2 Ausge­wähl­te Aus­wir­kun­gen der Ent­wick­lun­gen rund um Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0

In dem nach­fol­gen­den Ab­schnitt wer­den ei­ni­ge aus­ge­wähl­te Über­le­gun­gen rund um Ler­nen, Ar­bei­ten und Kom­pe­tenz­an­for­de­run­gen vor­ge­stellt.

2.1 Lernen

Ausgewähltes zu Lern­theorien

Nach den großen Lern­theo­rien Beha­vio­ris­mus, Kog­ni­ti­vis­mus und Kon­struk­ti­vis­mus des 20. Jahr­hun­derts, kann der Kon­nek­ti­vis­mus von Siemens (2005) nach Campbell und Schwier (2014, S. 367) als auf­kom­men­de Lern­theo­rie des 21. Jahr­hun­derts auf­ge­fasst werden, wobei der Kon­nek­ti­vis­mus nach Ein­schät­zung der Ver­fas­ser als Lern­theo­rie noch nicht aller­orts ak­zep­tiert ist.

Je nach Inter­esse bie­ten diese bei­den Quel­len ver­tie­fen­de Be­trach­tungen:

Siemens, G. (2005): Connecti­vism: A Learn­ing Theory for the Digi­tal Age, Inter­na­tio­nal Jour­nal of In­struc­tio­nal Tech­no­logy and Dis­tance Lear­ning 2(1), URL: http://www.itdl.org/journal/jan_05/article01.htm [Stand: 02.09.2017].

Campbell, K.; Schwier, R. A. (2014): Major Move­ments in In­struc­tio­nal Design. In: Zawacki-Richter, O.; Anderson, T. (Hrsg.): Intro­duc­tion: Research Areas in Online Dis­tance Edu­cation. In: Zawacki-Richter, O.; Anderson, T. (Hrsg.): Online Dis­tance Edu­cation, AU Press, 345-380, http://www.aupress.ca/index.php/books/120233 [Stand: 02.09.2017].

Die Prinzipien des Kon­nek­ti­vis­mus nach Siemens (2005, o. S.) sind:

  • Lernen und Wissen be­ru­hen auf einer Viel­falt an Mei­nun­gen

  • Lernen ist ein Pro­zess des Ver­knüp­fens spe­zia­li­sier­ter Kno­ten­punk­te und In­for­ma­tions­quellen

  • Lernen kann in nicht-mensch­li­chen Vor­rich­tun­gen er­fol­gen

  • die Kapazität, wei­teres Wis­sen auf­zu­neh­men, ist als ent­schei­den­der zu werten als das ge­gen­wär­tig vor­han­de­ne Wis­sen

  • Pflege und Er­hal­tung von Ver­bin­dun­gen ist not­wen­dig, um kon­ti­nu­ier­li­ches Ler­nen zu er­mög­li­chen

  • die Fähig­keit, Ver­bin­dun­gen zwi­schen The­men­fel­dern, Ideen und Kon­zep­ten zu er­ken­nen, ist eine Kern­fä­hig­keit

  • Aktualität (kor­rek­tes, zeit­ge­mäßes Wis­sen) ist Zweck al­ler kon­nek­ti­vis­ti­schen Lern­ak­ti­vi­tä­ten

  • Das Treffen von Ent­schei­dung ist ein Lern­pro­zess. Die Aus­wahl dazu, was es zu ler­nen gilt, und die Be­deu­tung ein­ge­hen­der In­for­ma­tio­nen wird durch die Lin­se einer sich ver­än­dern­den Rea­li­tät be­trach­tet. Eine heu­te als rich­tig gel­ten­de Ant­wort kann mor­gen falsch sein, be­dingt durch Än­de­run­gen im die Ent­schei­dung be­ein­flus­sen­den In­for­ma­tions­klima.

Mit der Formu­lie­rung des Kon­nek­ti­vis­mus adres­siert Siemens (2005) Ein­schrän­kun­gen, die sei­ner An­sicht nach den drei oben ge­nann­ten Lern­theo­rien an­haf­ten, wie dass (1) Lernen nur in Per­sonen (in Ge­hir­nen) er­folgt, dass (2) einer Eva­lua­tion des Wer­tes von In­for­ma­tio­nen ver­bun­den mit der Fähig­keit zur Syn­the­ti­sie­rung und Er­ken­nung von Ver­bin­dun­gen und Mus­tern zu wenig Be­ach­tung zu­kommt und dass (3) die be­ste­hen­den Lern­theo­rien die tech­no­lo­gisch ver­an­ker­ten Ent­wick­lun­gen nicht wider­spie­geln. Spä­tes­tens mit dem letz­ten der oben ge­nann­ten Prin­zi­pien des Kon­nek­ti­vis­mus ent­steht eine Ver­bin­dung zum The­men­feld „Arbeit“, das in Ab­schnitt 2.2 the­ma­ti­siert wird.

Ausgewähl­tes zu Lern­me­tho­den/-instru­mente

Als Folge der Di­gi­ta­li­sie­rung und Ver­net­zung sind für das Ler­nen aus me­tho­di­scher Sicht ins­be­son­de­re In­ter­ak­tion und Kom­mu­ni­ka­tion her­aus­zu­stel­len, was bei der Dis­kus­sion neuer Lern­for­men wie bei­spiels­weise Massive Open Online Courses (MOOC‘s), Vir­tual Learn­ing Communi­ties (VLC) oder Distri­buted Communi­ties of Prac­tice (DCoP) zum Aus­druck kommt (Campbell, Schwier 2014). Für das Fern­ler­nen wird die Nut­zung sozia­ler Medien dis­ku­tiert, wobei die In­te­gra­tion in Lern­pro­zesse noch eher wenig ge­nutzt wird (Campbell, Schwier 2014). In die­sem Zu­sam­men­hang ist nach Conrad (2014) der Wert von In­ter­ak­tion und Kom­mu­ni­ka­tion für Ler­nen kaum zu be­strei­ten. Eine all­ge­gen­wär­ti­ge Kon­nek­ti­vi­tät zwi­schen Men­schen kann au­then­ti­sche und kol­la­bo­ra­ti­ve Lern­er­fah­run­gen er­mög­lichen und steht mit der Ent­wick­lung kri­ti­scher und krea­ti­ver Den­ke­rin­nen und Den­ker in Ver­bin­dung (Conrad 2014) (Garrison, Vaughan 2008). Wäh­rend Fähig­kei­ten, die mit kri­ti­schem Den­ken, Kom­mu­ni­ka­tion oder Prä­sen­ta­tion ver­bun­den sind, nach wie vor eine große Be­deu­tung haben, än­dern sich hin­gegen ein­ge­setz­te Tools oder In­stru­men­te, die heute bei­spiels­weise auch E-Mail, Twitter, Blogs, Videos oder Pod­casts um­fassen (Conrad 2014). Dazu ge­hö­ren auch Open Edu­ca­tio­nal Ressour­ces (OER) wie zum Bei­spiel dieser vor­lie­gen­de digi­tale Studien­brief (vgl. auch https://oerworldmap.org/resource/?q=HFH#urn:uuid:88398d18-7897-42af-b79a-7775b1c6b64e). Die Zu­kunft wird zei­gen, ob sich wei­tere, neue For­men, wie adap­tive Mathe­bücher oder Serious Games durch­set­zen können und werden.

Das unter dem Link http://jetztnicht.de/innojam11/ er­reich­bare Spiel ist unter ande­rem auf dem Inno­Games Game Jam 11 zum Thema „Serious Games“, der unter Betei­li­gung der HFH ∙ Ham­bur­ger Fern-Hoch­schule statt­fand, ent­stan­den (vgl. https://press.innogames.com/ein-wochenende-voller-kreativitat-innogames-game-jam-11-zum-thema-serious-games-erfolgreich-beendet). Das fol­gen­de Vi­deo ist eine Auf­zeich­nung eines spon­ta­nen Live-Inter­views wäh­rend des Inno­Games Game Jams 11 im Jahr 2017.

[Video-URL: https://www.youtube.com/embed/vAnpyvJ1DDI?rel=0]

© Fernstudium-Infos.de; YouTube Kanal: https://www.youtube.com/user/fernstudium


In diesem Zu­sam­men­hang ist er­wäh­nens­wert, dass vor dem Hin­ter­grund der Ent­wick­lung der Spie­le­bran­che erst­mals im Jahre 2017 die Spie­le­messe Gamescom von Bundes­kanz­le­rin Dr. Angela Merkel er­öff­net wurde.

Bei Aoun (2017) findet sich aus me­tho­di­scher Per­spek­ti­ve für die Zu­kunft die Emp­feh­lung zur Be­to­nung (1) dis­zi­plin­über­grei­fen­den und ex­pli­zit ziel­ori­en­tier­ten Ler­nens, (2) pro­jekt­ba­sier­ten Ler­nens und (3) der Ver­bin­dung von Ler­nen und rea­ler Welt. Letz­te­res be­ti­telt Aoun (2017: 81 ff.) auch als „expe­rien­tial learn­ing“ ver­bun­den mit fol­gen­den ein­füh­ren­den Worten: „Expe­rien­tial Learn­ing ist a model unlike any tra­di­tio­nal format in that it inte­grates class­room and real-world expe­rien­ces. It flings open the gates of the campus and makes the entire world a po­ten­tial class­room, library, or labora­tory. Typi­cally, students engage in expe­rien­tial learn­ing through intern­ships, co-ops, work-study jobs, global expe­rien­ces, and origi­nal research oppor­tuni­ties. [...] As we all know, prac­tice makes per­fect. [...] To make an ob­vious point, learn­ing occurs when we act and think. [...] There must be a two-way street between the appli­ca­tion of class­room learn­ing in the con­text of life and the appli­ca­tion of real-world know­ledge in the con­text of the class­room. If this is done pur­pose­fully – if this is done mind­fully – lear­ners peel back the layers of assump­tions or habit that cloud their in­sights into them­selves. In clear light, they see their abili­ties, their present skills and know­ledge, their pre­dilect­ions, and their room for growth. Conse­quently, as they better under­stand the world, they better under­stand their own minds.“

Im Rahmen Ihres Studiums an der HFH ∙ Ham­bur­ger Fern-Hoch­schule sind es neben den In­hal­ten in den Stu­dien­brie­fen vor allem auch die ergän­zen­den Prä­senz­pha­sen für die Module und die wis­sen­schaft­li­chen Ar­bei­ten wie Haus-/Projekt­ar­bei­ten und Ab­schluss­arbeit, mit denen diese Ver­bin­dung her­zu­stel­len ist. In einem Pro­zess, der durch Er­fah­rungs­lernen, realen Kon­text, Her­stel­lung un­er­war­te­ter Ver­bin­dun­gen, Krea­ti­vi­tät und men­ta­le Flexi­bi­li­tät ge­kenn­zeich­net ist, kön­nen Men­schen sich nach Aoun (2017: 82) auf die wei­te­ren Ent­wick­lun­gen ver­bun­den mit einem ver­stärk­ten Ein­satz von Ro­bo­tern vor­be­rei­ten („become more robot-proof“).

2.2 Arbeiten

Nach einem Be­richt des In­sti­tuts für an­ge­wand­te Ar­beits­wis­sen­schaft zum Thema Di­gi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 sind "die Ge­stal­tungs­po­ten­zia­le der Ar­beits­welt [...] aus tech­ni­scher, or­ga­ni­sa­to­ri­scher und per­so­nel­ler Sicht zu be­trach­ten. Diese Schich­ten sind nicht über­schnei­dungs­frei - sie er­gän­zen ein­ander" (ifaa 2016: 11).

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Abb. 2.1: Technische, orga­ni­sa­to­ri­sche und per­so­nel­le Ge­stal­tungs­po­ten­zia­le der Ar­beits­welt in An­leh­nung an ifaa - Insti­tut für an­ge­wand­te Ar­beits­wis­sen­schaft (2016).

Durch die "Zusammen­arbeit" von Mensch und Ma­schi­ne kann

  • die körper­liche Be­las­tung für den Men­schen re­du­ziert wer­den sowie

  • eine Steige­rung der Pro­duk­ti­vi­tät und der Wirt­schaft­lich­keit er­reicht werden.

Weitere Informa­tio­nen über das Thema Indus­trie 4.0 sowie viel­fäl­tige Praxis­bei­spiele fin­den Sie unter: http://www.plattform-i40.de/I40/Navigation/DE/Home/home.html

Beispiele:

Ausgewähl­tes zu quan­ti­ta­ti­ven Ent­wick­lungen

Eine mögliche Aus­wir­kung einer fort­schrei­ten­den Ent­wick­lung zu Di­gi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 ist, dass es weni­ger Ar­beit geben könnte (Winston, 2016: 20). Stu­dien zum An­teil der Ar­beits­plätze, die dem Risiko unter­liegen, in eini­gen Jahr­zehn­ten nicht mehr be­nö­tigt zu werden, zeigen – abhän­gig von der an­ge­wandt­en Me­tho­dik und für unter­schied­liche Länder – weit aus­ein­ander lie­gen­de Werte von rund 10 % und da­run­ter (Arntz, Gregory & Zierahn 2016) bis zu deut­lich über 40 % (Frey, Osborne 2013) (Bonin, Gregory, Zierahn, 2015) und höher (Dengler, Matthes 2015). Bei Dengler und Matthes (2015: 7 ff.) können Sie einen ers­ten Über­blick zu Sub­sti­tu­ier­bar­keits­po­ten­zia­len von Be­ru­fen in Deutsch­land ge­winnen:

Dengler, K.; Matthes, B. (2015): Folgen der Di­gi­ta­li­sie­rung für die Ar­beits­welt, IAB-For­schungs­bericht 11/2015, URL: http://doku.iab.de/forschungsbericht/2015/fb1115.pdf [Stand: 02.09.2017].

Dengler und Matthes (2015: 12 ff.) kom­men zu­sam­men­fas­send zu dem Er­geb­nis, dass das Sub­sti­tu­ier­bar­keits­po­ten­zial durch die Com­pu­ter­tech­no­logie

  • für Helfer und Fachkräfte über 40 %,

  • für Spezialisten bei über 30 % und

  • für Experten bei unter 20 %

liegt, wobei (1) große Streu­ungen in den Daten je nach Berufs­seg­ment auf­tre­ten und (2) die höchs­ten Werte für Fer­ti­­gungs­berufe und fer­tigungs­tech­nische Berufe fest­ge­stellt werden. Auch wenn nie­mand die Zukunft tat­säch­lich exakt vor­her­sagen kann, sind diese Er­kennt­nisse Grund genug, sich selber gut aus­zu­bil­den, um sich auf diese Ent­wick­lung per­sön­lich vor­zu­be­reiten; ggf. auch bei Aus­wahl von Berufs­seg­men­ten mit nied­ri­gen Werten. Dengler und Matthes (2015: 8) weisen zudem auf Frey und Osborne (2013) hin, die auf Basis von Exper­ten­mei­nun­gen In­di­ka­to­ren iden­ti­fi­zie­ren, „die in naher Zu­kunft nicht von (com­pu­ter­ge­steu­er­ten) Ma­schi­nen er­setzt werden können: Wahr­neh­mung und Fein­mo­to­rik (z. B. ko­or­di­nier­tes Be­we­gen von ein­zel­nen Fin­gern, um kleine Dinge zu fer­ti­gen), krea­ti­ve In­tel­li­genz (z. B. Kunst, krea­ti­ve Pro­blem­lö­sun­gen) und sozia­le In­tel­li­genz (z. B. ver­han­deln, über­zeu­gen) [Her­vor­he­bun­gen er­gänzt]“. Letz­tere Er­kennt­nisse er­schei­nen auch vor dem Hin­ter­grund der Aus­füh­run­gen in obigem Ab­schnitt und dem nach­fol­gen­den Ab­schnitt 2.3 plau­sibel.

Ausgewähltes zu quali­ta­ti­ven Ent­wick­lungen

Der letzte Abschnitt wurde mit einer Zi­tie­rung von Winston (2016) be­gon­nen und diese on­line ver­füg­bare In­for­ma­tions­quelle bietet span­nen­de Hin­weise weite­rer Autoren bei­spiels­weise zum Um­gang mit offe­nen Kom­mu­ni­ka­tions­um­ge­bungen (Turco, 2016: 5 f.), neuen Mög­lich­kei­ten für krea­ti­ve Pro­zesse (Austin, 2016: 16 f.) oder zu ethi­schen As­pek­ten (Parmar, Freeman 2016: 10 f.):

Winston, A. S. (2016): Tackling the World‘s Challe­nges With Techno­logy. In: MIT Sloan Manage­ment Review. Special Collec­tion “Frontiers: Explo­ring the Digi­tal Future of Manage­ment”. Fall 2016. S. 19-20. URL: http://marketing.mitsmr.com/offers/FR2016/MITSMR-Frontiers-collection.pdf [Stand: 03.03.2017].

Eine Übersicht zu aus­ge­wähl­ten Kern­aus­sagen aus dieser Ver­öf­fent­li­chung “Frontiers: Explo­ring the Digi­tal Future of Manage­ment” findet sich in nach­fol­gender Ab­bil­dung.

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Abb. 2.2: Ausgewählte Kern­aus­sagen aus der Ver­öf­fent­li­chung “Frontiers: Explo­ring the Digi­tal Future of Manage­ment” des MIT Sloan Manage­ment Review.
Ein Beispiel aus der For­schung für die Ge­stal­tung von Arbeit: Die Pflege­brille - Pflege mit Durch­blick (Gast­bei­trag von Heinrich Recken)

Ein Beispiel aus der For­schung ist das vom Bundes­minis­terium für Bil­dung und For­schung ge­för­der­te Pro­jekt der „Pflege­brille“ (http://www.pflegebrille.de/index.php/de/). Das For­schungs­pro­jekt wird von einem Kon­sor­tium aus Hoch­schu­len, In­dus­trie­part­nern und An­wen­dern, da­runter die Ham­bur­ger Fern-­Hoch­schule, durch­ge­führt. Das Pro­jekt „Pflege­brille“ (Lauf­zeit Mai 2016 – April 2019), stellt ein inter­dis­zi­pli­näres For­schungs­vor­haben dar, in dem Ingenieure, So­zial­wissen­schaft­ler sowie Pflege­wissen­schaft­ler und –praktiker Lösungen für das Daten­manage­ment im kom­plexen Handlungs­prozess der ambu­lanten In­tensiv­pflege fin­den wollen.

Das Bundesminis­terium für Bil­dung und For­schung hat 2014 im Rah­men der Ini­tia­tive „Pflege­inno­va­tio­nen 2020“ die beiden Förder­bereiche „Die neue High­Tech­Strategie“ und „Jedes Alter zählt. Die Demo­gra­fie­stra­tegie der Bundes­re­gierung“ in ein For­schungs­för­de­rungs­pro­gramm unter dem Titel „Pflege­inno­vationen zur Unter­stüt­zung in­for­mell und pro­fes­sio­nell Pflegender“ ein­ge­bracht und aus­ge­schrie­ben. Die För­de­rung be­zieht sich auf an­wen­dungs­orien­tierte For­schungs- und Ent­wick­lungs­pro­jekte, die inter­dis­zi­plinär an­ge­legt sein müssen und darauf zie­len, in­for­mell (fami­liär) und pro­fes­sio­nell Pfle­gen­de akut oder präven­tiv zu ent­lasten. Hier­bei ist ins­beson­dere auf eine nutzer­freund­liche Be­dien­bar­keit tech­ni­scher Inno­va­tionen („Design for All“) zu achten. Inno­vationen aus dem Bereich der Mensch-­Technik-Inter­aktion müssen einen signi­fi­kanten Mehr­wert im Ver­gleich zu den gegen­wärtig exis­tie­ren­den oder ak­tuell in Ent­wick­lung be­find­lichen Lösungen auf­weisen (vgl. BMBF 2015).

Im Projekt wird Augmented Reality-Tech­no­lo­gie ver­wendet, um die Inter­ak­tion der han­deln­den Per­sonen zu unter­stüt­zen, Objekt­er­ken­nung (z. B. Beatmungs­geräte) vor­zu­neh­men oder Arbeits­pro­zesse an­zu­lei­ten. Aug­men­ted Reality stellt eine Tech­no­lo­gie dar, die eine intel­li­gente Er­wei­te­rung der mensch­lichen Wahr­neh­mung er­mög­licht, da­durch dass In­for­ma­tionen visuell in das Sicht­feld oder auditiv ein­ge­bracht werden. Dies ge­schieht orts- und zeit­un­ab­hängig, ohne dass die Pflege­kräfte in ihrer Be­we­gung oder Arbeits­tätig­keit ein­ge­schränkt werden. Daten­brillen ver­fügen über einen leicht­gewicht­igen Form­faktor, sind frei­hä­ndig und bieten ver­schie­denste Sen­so­rik (z. B. Head-­Tracker, Be­we­gungs­sen­soren) sowie Soft­ware­schnitt­stellen zur Imple­men­tierung spezi­fischer Lö­sun­gen (vgl. Recken, Prilla 2016: 46 f).

Deutlich wird die Unter­stüt­zung des Ar­beits­pro­zes­ses in einem Video der Firma iTiZZiMO über ein ver­netz­tes Labor (https://www.itizzimo.com/solutions/smart-laboratory/).

Zur Zeit arbeiten die Projekt­mit­arbei­te­rin­nen und -mit­ar­bei­ter und an User Stories, aus denen ent­spre­chen­de Mockups (Modelle) für Test­an­wen­dun­gen ent­wickelt werden. Da eine par­ti­zi­pa­tive Pro­dukt­ent­wick­lung an­ge­strebt wird, werden zu den Tes­tun­gen zu­künf­tige An­wen­der dieser Tech­no­lo­gie in Fokus­gruppen ein­ge­laden, die so­wohl zu den ent­wickel­ten An­wen­dungs­sze­na­rien als auch der Usability Stellung nehmen.

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Abb. 2.3: Pflegeplan.

Die Abbildung 2.3 zeigt einen Pflege­plan, der über die Daten­brille ab­ge­rufen und be­ar­bei­tet werden kann. Nähere In­for­ma­tio­nen zur Aus­füh­rung der je­wei­li­gen Ar­beits­auf­gaben finden sich unter der je­wei­li­gen Arbeits­aufgabe. So zeigt Ab­bil­dung 2.4 den Folge-Screen zur Mund­pflege.

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Abb. 2.4: Grundlagen der Mundpflege.

2.3 Kompetenzanforderungen

Je nach Ansatz gibt es unter­schied­liche Sicht­wei­sen an Kom­pe­ten­zen, die wie nach­fol­gend bei­spiel­haft auf­ge­lis­tet tech­no­lo­gisch oder in der Tabelle nicht-tech­no­lo­gisch ge­prägt sein können. Dabei ver­wun­dert es nicht, dass in einer tech­no­lo­gisch ge­präg­ten Zeit zunächst ein­mal tech­no­lo­gisch ge­prägte Kom­petenz­an­for­de­run­gen ent­ste­hen. Auf der Inter­net­seite des World Economic Forum findet sich in einem Bei­trag von Smith aus dem Jahr 2017 die fol­gen­de Liste an be­gehr­ten tech­no­lo­gisch ge­prägten Kom­pe­ten­zen, die auf einer Analyse aus LinkedIn ba­sieren:

  • "1. Cloud and Distri­bu­ted Com­pu­ting

  • 2. Statistical Ana­lysis and Data Mining

  • 3. Web Architec­ture and De­velop­ment Frame­work

  • 4. Middleware and Inte­gra­tion Soft­ware

  • 5. User Inter­face Design

  • 6. Network and Infor­ma­tion Secu­rity

  • 7. Mobile Develop­ment

  • 8. Data Presen­ta­tion

  • 9. SEO/SEM Marke­ting

  • 10. Storage Systems and Manage­ment” (Smith 2017)

Aus einer Initia­ti­ve des World Eco­nomic Forum (2016b, 2015) und in Zu­sam­men­ar­beit mit BCG ist fol­gen­des Modell her­vor­ge­gan­gen, wobei die An­for­de­run­gen nicht vor­nehm­lich nur tech­no­lo­gisch ge­prägt sind:

Tabelle 2: Modell zu Kompetenz­an­for­de­run­gen auf Ini­tia­tive des World Eco­nomic Forum in Zu­sam­men­ar­beit mit der Boston Consul­ting Group

Grund­bil­dung Kom­pe­ten­zen Cha­rak­ter­qua­li­tä­ten
Lesen und Schre­iben Kri­ti­sches Den­ken/Pro­blem­lö­sungs­fä­hig­kei­ten Neugier
Rechnen Krea­ti­vi­tät Initia­tive
Wissen­schaft­lich Arbeiten Kommu­ni­ka­tions­fä­hig­keit Wider­stands­fä­hig­keit
Infor­ma­tions- und Kom­mu­ni­ka­tions­tech­no­logie Kolla­bo­ra­tions­fä­hig­keit Adap­tions­fä­hig­keit
Finanzen Leader­ship
Kulturelle und zivil­ge­sell­schaft­liche Bil­dung Soziales und kul­tu­rel­les Be­wusst­sein

Bei Interesse finden sich in den bei­den nach­fol­gend an­ge­ge­be­nen Quel­len ver­tie­fen­de Aus­füh­run­gen:

World Economic Forum (2016b): New Vision for Edu­cation: Foster­ing Social and Emo­tional Learn­ing through Tech­nology. Prepared in collabo­ration with BCG. URL: http://www3.weforum.org/docs/WEF_New_Vision_for_Education.pdf [Stand: 28.08.2017].

World Economic Forum (2015): New Vision for Edu­cation: Unlock­ing the Poten­tial of Tech­nology. Prepared in collabo­ration with BCG. URL: http://www3.weforum.org/docs/WEFUSA_NewVisionforEducation_Report2015.pdf [Stand: 28.08.2017].

An dieser Stelle soll keine Dis­kus­sion zur Unter­schei­dung von Kompe­ten­zen und Charak­ter­quali­täten er­fol­gen. Als wich­tig wird hier die Fest­stel­lung er­ach­tet, dass in Rich­tung eines stär­ker tech­no­lo­gie­durch­zogenen Ge­sell­schafts­gesche­hens ge­dacht, um­fas­sende An­for­de­rungen an Men­schen ge­stellt werden, wobei sowohl klas­sische Grund­fertig­keiten wie Lesen, Schrei­ben und Rechnen als auch viele nicht tech­no­lo­gische Kom­pe­ten­zen auf­treten. In­so­weit werden ins­be­son­dere auch solche Fähig­keiten des Men­schen wichtig, die künst­liche Intel­ligenz dem Menschen nicht ab­nehmen kann (vgl. Ab­schnitt 1.4). Vor dem Hinter­grund von Über­le­gun­gen zu einer Kom­pe­tenz­ge­sell­schaft und den zu­ge­hö­ri­gen ge­sell­schaft­lichen Heraus­for­der­ungen können persön­liche Stär­ken in Be­rei­chen wie den fol­genden hilf­reich sein (Deckert 2017, https://sinnwissen.wordpress.com/2016/12/23/kompetenzgesellschaft/):

  • Neues entdecken und gestalten

  • Sich weiter­ent­wickeln/persön­liches Wachs­tum

  • Ehrbarkeit

  • Zugewandt­heit

  • Problem­lösungs­fähig­keit

  • Verant­wor­tungs­über­nahme

  • Bezie­hungs­fähig­keit

  • Alltags­fähig­keit in der Gemein­schaft

  • Wissen um ge­sell­schaft­liche Her­aus­for­de­rungen

Die ersten zwei Punkte in dieser Auf­zäh­lung tragen ins­be­son­dere auch einem Ge­dan­ken von Aoun (2017) Rech­nung und zwar, dass es für den Men­schen zwi­schen Himmel und Erde noch sehr vieles zu ent­decken gibt, und dass uns eben genau dies für uns zu erobern, noch lange von künst­licher In­tel­li­genz unter­schei­den wird. Als zweiten Punkt in diesem Zu­sam­men­hang führt Aoun (2017: 47, 79) die Be­deu­tung von Bildung an, die sich

  • dem kreativen Denken als ein­zig­ar­ti­gem Talent des Men­schen,

  • den Fähigkeiten ver­bun­den mit Tech­no­logie, Daten und dem Men­schen in seiner Viel­falt („three new literacies“) sowie

  • den kognitiven Kapa­zi­täten wie kri­ti­schem Den­ken, System­denken, Entre­pre­neur­ship und kul­tu­rel­ler Agi­li­tät („four cog­nitive capa­cities“)

zuwenden sollte.

Vom letzt­ge­nann­ten Punkt in obiger Auf­zäh­lung „Wissen um ge­sell­schaft­liche Her­aus­for­de­rungen“ ergibt sich eine Über­lei­tung in Rich­tung der spä­teren Aus­füh­rungen zur unter­neh­me­rischen Ver­ant­wortung. Zuvor sollen aller­dings aus­ge­wählte Er­kennt­nisse aus der Inge­nieur­psycho­logie sowie zu Cyber­sicher­heit be­schrie­ben werden.

Ausgewählte Gedanken zur Inge­nieur­psycho­logie (Gast­bei­trag von Dr. Maren Metz)

Innerhalb der rasanten Ver­än­de­rung der mensch­lichen Arbeits- und Lebens­pro­zesse im digi­ta­len Zeit­alter und in der flexi­blen Auto­ma­tion sowie der rechner­ge­stütz­ten welt­wei­ten Kom­mu­ni­ka­tion bedarf es auch der kom­pe­ten­ten Ver­knüp­fung psycho­logie­fun­dierter Er­kennt­nisse

  • für Gestaltungsoptionen,

  • für technische Unter­stüt­zung sowie

  • bei der Opti­mie­rung von Nut­zung, Steu­e­rung und War­tung tech­nisch ge­präg­ter Pro­dukte und Dienst­leis­tungen.

Die Ingenieur­psycho­logie gehört zum Wissen­schafts­zweig der An­ge­wandten Psycho­logie, die sich mit den Mensch-Ma­schine-Sys­temen aus psycho­lo­gischer Pers­pektive be­schäf­tigt. Als ein Teil­ge­biet der Arbeits­psycho­logie geht es in der Inge­nieur­psycho­logie um die Inter­aktion zwi­schen Mensch und Ma­schine und um die Ge­stal­tung der tech­ni­schen Um­welt mit der Auf­gabe, tech­nische Sys­teme so ein­zu­rich­ten, dass diese ohne viel Über­le­gungen, rasch, aber auch sicher be­nutzt, be­herrscht, ge­steu­ert und über­wacht werden können. Alle psycho­lo­gischen Er­kennt­nisse sollen in die Ent­wick­lung tech­nischer Sys­teme ein­fließen, sodass ein möglichst effi­zientes Gesamt­system Mensch-Ma­schine ent­steht. Die Mensch-Ma­schine-Inter­aktion ist dabei heute neben der Psycho­logie und der In­for­matik auch mit Be­grif­fen wie Industrie 4.0 und Künst­liche Intel­li­genz ver­bu­nden (Bendel 2017b). Der Mensch setzt Ma­schi­nen ein, ope­riert mit diesen, regelt und über­wacht sie, aber ist zu­dem auch ein Dia­log­part­ner, z. B. durch Email oder WhatsApp Nach­rich­ten. Zudem er­fassen Ma­schi­nen zu­neh­mend auto­ma­tisch Si­tua­tio­nen und mensch­liche Be­dürf­nisse. Die ziel­füh­rende Inter­ak­tion zwi­schen Mensch und Ma­schine ist umso wichtiger, je kom­plexer und per­so­nen­be­zo­ge­ner eine tech­ni­sche Unter­stüt­zung ist. Die Ge­stal­tung von Mensch-Ma­schine-Sys­temen ist damit eine extra­psycho­lo­gische Akti­vität, wie Taylor (1957, 1963) es nannte, in der psycho­lo­gische Kom­pe­ten­zen ver­bun­den mit fol­gen­den Themen­fel­dern ge­won­nen werden:

  • Systemnutzung und -zuver­läs­sig­keit,

  • Kognitive Leistungen; Wahr­neh­men, Er­ken­nen und Wis­sen um typi­sche mensch­liche Fähig­keiten, Er­fah­ren von Leis­tungs- und Fähig­keits­grenzen z. B. hin­sicht­lich der In­for­ma­tions­auf­nahme und In­for­ma­tions­ver­ar­bei­tung,

  • Menschliche Fehler (Human­fak­tors) und Zu­ver­läs­sig­keit,

  • Optimale Fahrzeug­führung,

  • Usability, sichere Hand­ha­bung von Ma­schi­nen­sys­temen,

  • Digitale Kommunikation und In­for­ma­tions­tech­ni­ken sowie

  • Steuerung und Über­wachung in­dus­tri­eller Pro­zesse, auch im Sinne einer Eva­lua­tion und Zer­ti­fi­zie­rung.

Typische Fragestellungen und For­schungs­rich­tun­gen der Inge­nieur­psycho­lo­gie ergeben sich aus diesen Themen­feldern:

  • Was ist und wohin geht der tech­nische Wan­del für den Men­schen?

  • Welche Aufgaben­ver­tei­lung ergibt sich zwi­schen Mensch und Ma­schine?

  • Wie konstruiert man eine „Mensch-Ma­schine-Schnitt­stelle“ (Hoyos 1990: 7) und welche Kon­se­quen­zen er­geben sich daraus?

  • Welche Anfor­de­run­gen, Auf­gaben, Zu­stän­dig­keiten und Ver­ant­wort­lich­kei­ten werden an den Men­schen durch die Ma­schinen ge­stellt?

  • Welche Ressour­cen und Kapa­zi­täten sind zur Nutzung der Ma­schine vor­handen?

  • Welche Kon­se­quen­zen er­ge­ben sich für den­jen­igen, der die Ma­schine bedient?

  • Welche Eigenschaften müssen be­rück­sich­tigt werden, damit der Mensch die Tech­nik best­möglich nutzen kann?

  • Wie kann man die tech­ni­schen und mensch­lichen Feh­ler und deren Fol­gen mini­mie­ren?

  • Wie kann Sicherheit und Effek­ti­vi­tät des Gesamt­systems Mensch-Ma­schine ver­bes­sert werden?

Mensch-Maschine-Interaktion_V2.svg
Abb. 2.5: Beispiel­hafte Themen­felder der Mensch-Ma­schine-Inter­aktion

3 Sicherheit – Cyber Security

Gastbeitrag von Dr. Philipp Gabsch

Mit der einset­zen­den Digi­ta­li­sie­rung in sämt­liche Lebens­be­reiche steigt zu­gleich die Attrak­ti­vi­tät für krimi­nelle und terro­ris­tische Machen­schaften. Je ver­netzter eine Gesell­schaft ist, umso ver­wund­barer macht es sie anderer­seits für so­ge­nannte Cyber­an­griffe. Spä­tes­tens seit den ersten Ent­hül­lungen von Edward Snowden im Jahr 2013 – vgl. auch http://www.geo.de/geolino/mensch/2644-rtkl-weltveraenderer-edward-snowden – sowie der daran an­knüpf­enden NSA-­Affäre – vgl. auch https://netzpolitik.org/2017/nichts-gefunden-auch-der-generalbundesanwalt-hat-nsa-affaere-beendet/ – ist der breiten Öffent­lich­keit be­kannt, welche Mög­lich­keiten durch die Digi­ta­li­sie­rung be­stehen. Über die Wichtig­keit des Schutzes der eigenen digi­ta­len Daten, auch als digi­ta­ler Fuß­ab­druck be­zeich­net, und der digi­ta­len Infra­struk­tur be­steht ein öffent­licher Konsens.

Damit einher geht der Auf­wuchs der Cyber Security als eigen­stän­dige Bran­che, um di­verse Be­dürf­nisse zu be­die­nen. Nach­fol­gend soll eine de­fi­ni­to­rische Ein­ord­nung zu den Begriff­lich­kei­ten Cyber Security, Advanced Persistent Threats, Homo Carens Securitate und digi­ta­ler Unter­grund­wirt­schaft er­fol­gen. Als Grund­lage die­nen die Werke von Willems (2013) „Cyber­gefahr“ sowie Klipper (2015) „Cyber Security“.

3.1 Cyber Security

Der Begriff Cyber Security kann als Synonym zur IT-Sicher­heit und In­for­ma­tions­sicher­heit ver­wen­det werden. Klipper (2015: 10) orien­tiert sich an der deutsch/eng­lischen und eng­lisch/deut­schen Über­set­zung. Für das deutsche Wort Sicher­heit gibt es nach Klipper (2015: 10) bis zu vier eng­lische Begriffe: Safety, Security, Protection und Privacy. „Cyber Security befasst sich mit Be­dro­hungen und Risiken im Zu­sammen­hang mit der Nut­zung von In­for­ma­tions­tech­nolo­gie im Cyber Raum“ (Klipper, 2015: 5). Zur Cyber Security gibt es mehrere Teil­dis­zi­pli­nen, bspw. Security (Risk) Manage­ment, Sicher­heits­ar­chi­tek­tur, Sicher­heits­tests/-for­schung, Sicher­heit in IT-Netz­werken/ von Soft- und Hard­ware­pro­dukten, Krypto­gra­fische Ver­fahren, Daten­schutz, Phy­sische Sicher­heit, IT-Foren­sik, Not­fall­pla­nung und Busi­ness Conti­nuity sowie sichere Authen­ti­fi­ka­tion und Zugriffs­kon­trolle (vgl. Klipper, 2015: 5). Weitere mög­liche For­schungs­felder sind Cyber­krieg, Cyber­ter­ro­ris­mus und Hack­ti­vis­mus. Auf­grund der hohen Fluk­tuation der Aus­prä­gung der letzt­ge­nann­ten Fel­der, die immer eng mit den poli­ti­schen Rahmen­lagen ver­knüpft sind, kann an dieser Stelle nicht näher hierauf ein­ge­gan­gen werden.

Der Zustand der Cyber Security im Cyber Raum ist her­ge­stellt, wenn Be­dro­hungen aus­ge­schlossen werden können. Klipper (2015: 10) führt weiter aus, dass Cyber Security im Cyber Raum her­ge­stellt ist, wenn Funktions-, Betriebs-, In­for­ma­tions- und Daten­sicher­heit sowie Daten­siche­rung/Daten­schutz gewähr­leistet sind.

Informations­sicher­heit be­in­hal­tet die Schutz­ziele

  • Vertraulichkeit (Aus­schließ­bar­keit un­er­laubter In­for­ma­tions­ge­winnung),

  • Integrität (Mani­pu­la­tions­sicher­heit eines IT-Systems),

  • Sicherstellung von Verfüg­bar­keit (keine un­er­laubte Be­ein­träch­ti­gung einer be­rech­tig­ten System­nutzung),

  • Authentizität (Glaub­wür­dig­keit und Echt­heit eines Ob­jektes),

  • persönliche Zurechen­bar­keit (Nach­voll­zieh­bar­keit von Hand­lungen im Cyber Raum),

  • Nichtabstreitbarkeit (Aktionen zu­zu­ord­nen, die nicht ab­ge­strit­ten werden können),

  • Verlässlichkeit (vgl. Klipper 2015: 11 ff.).

Für Klipper (2015) stellen die Schutz­ziele Ver­trau­lich­keit, Inte­grität und Ver­füg­bar­keit die wesent­lichen Be­stand­teile der In­for­ma­tions­sicher­heit dar.

3.2 Bedrohungen – Advanced Persistent Threats

Wie eingangs bereits erwähnt, stellen Be­dro­hun­gen ein Kern­be­tä­ti­gungs­feld der Cyber Security dar. Die Aus­schließ­bar­keit von Be­dro­hun­gen ist der Ziel­zu­stand der Cyber Security. Die oben auf­ge­füh­rten Schutz­ziele werden zu Angriffs­zielen bzw. alles was schüt­zens­wert ist, ist an­griffs­wür­dig (vgl. Klipper 2015: 17). Vor­sätz­liche Hand­lungen gegen Schutz­ziele durch mensch­liche Hand­lungen und fahr­lässig ver­ur­sachte Vor­fälle bzw. Umwelt­ein­flüsse wer­den ak­tu­ell in der Cyber Security als Be­dro­hungs­ka­te­gorie ge­führt (vgl. Klipper 2015). Dabei nimmt der Be­griff der Advanced Persis­tent Threats eine be­son­dere Rolle ein.

Eilers (2012) wertet die fol­gende Er­klärung von Brian Contos von McAfee als am tref­fends­ten: "Advanced Persis­tent Threats or APTs have many defi­ni­tions. In most cases it’s an over used and abused marke­ting term adopted by point solution security vendors to talk about their ability to stop “bad things.” The term most gene­rally defines an adver­sary with formi­dable means, or­gani­zation, and moti­vation: they’re on a mission. It is often asso­ciated with espionage, and as such the concept pre­dates the digital era and can be traced back to the earliest docu­men­tation of intelli­gence gathering recor­ded by mili­tary strate­gists such as Sun-Tzu and Chanakya". Weitere Aus­füh­rungen finden sich bei Eilers (2012) unter https://www.ceilers-news.de/serendipity/219-Was-ist-ein-Advanced-Persistent-Threat-APT.html.

Ein APT kann generell als ein Netz­werk­angriff mit dem Ziel des Daten­dieb­stahles bei größeren Or­ga­ni­sa­tio­nen auf­ge­fasst werden, wobei der un­auto­ri­sier­te Zu­griff solange wie mög­lich un­ent­deckt bleiben soll.

3.3 Homo Carens Securitate

In der Wirt­schafts­theorie werden An­nahmen auf­ge­stellt, um das mensch­liche (Markt-)Verhalten zu ana­ly­sieren. Bei­spiele dafür sind die Men­schen­bil­der Homo Oeco­nomicus, Homo Insti­tu­tio­nalis oder der Homo Cultu­ralis.

Der Faktor Mensch ist in der digi­ta­len Welt die so­ge­nannte „First Line of Defense“. Dieses Sicher­heits­risiko wird im Men­schen­bild des Homo Carens Securi­tate ver­an­schau­licht. Dieser Men­schen­typ ent­schei­det „auf der Grund­lage von

  • hoher Risiko­be­reit­schaft bis hin zur Ge­fähr­dung des eigenen Ge­winns und des Ge­winns anderer,

  • falscher, mangel­haf­ter oder feh­len­der Vor­aus­sicht und

  • einer Reak­tions­fähig­keit, die weit unter der Reak­tions­fähig­keit von Hackern, Crackern und Bot-Nets liegt“ (Klipper, 2015: 31).

Das hierin zum Aus­druck kommende fehlende Sicher­heits­be­wusst­sein wird auf­grund der Kom­plexi­tät der Angriffe im Cyber Raum rück­sichts­los aus­ge­nutzt. Die un­gleichen Gegner, der un­be­darfte Bürger, der bewusst oder un­be­wusst die Sicher­heits­vor­keh­rungen ver­nach­lässigt und auf der anderen Seite welt­weit agierende/ver­netzte Hacker, Geheim­dienste und Krimi­nelle/Terro­risten stehen sich zu jeder Zeit im Cyber Raum gegen­über.

3.4 Digitale Untergrund­wirtschaft

Aus der ökono­mi­schen Per­spek­tive ist die digi­ta­le Unter­grund­wirt­schaft eine Schatten­wirt­schaft, d.h. öko­no­mische Akti­vi­täten er­zielen legale oder il­legale Ein­kom­men, die staat­liche Re­gu­lie­rung, Be­steu­e­rung und sta­tis­ti­sche Er­fas­sung ver­meiden (vgl. Sauer­land 2017).

Empirisch gibt es zur digi­ta­len Unter­grund­wirt­schaft aktuell keine Daten, die aus wissen­schaft­li­cher Sicht brauch­bar wären. Es ist aber wohl davon aus­zu­gehen, dass es ein pros­pe­rie­ren­der Markt ist. Zu den Markt­teil­neh­mern der di­gi­ta­len Unter­grund­wirt­schaft, die in der Regel keinen per­sön­li­chen Kon­takt haben, ge­hö­ren Her­stel­ler, Händ­ler, Lie­fe­ran­ten, Kri­mi­nelle und Kunden (vlg. Willems, 2013: 23).

Organisiert über nicht-öffent­liche Dis­kus­sions­foren, auch als Boards be­zeich­net, werden dort Waren und Dienst­leis­tungen an­ge­boten (E-Mail-Adress­listen, Bank­daten, il­le­gale Soft­ware­kopien etc.). Dieser Markt wird auch als Black Market bezeich­net. Die Eigen­tümer dieser Foren tun einiges, um sich vor un­ge­be­te­nem Besuch zu schüt­zen. Wird das Ziel nicht er­reicht, ist es geschäfts­schä­di­gend und dieses Forum wäre über kurz oder lang vor dem Aus. Wie in jedem kapi­ta­lis­ti­schen Markt­seg­ment geht es auch bei der digi­ta­len Unter­grund­wirt­schaft um die Stei­ge­rung des Gewinns.

4 Unternehmerische Verantwortung

Nutzung der Möglich­kei­ten von Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 für die Lö­sung großer ge­sell­schaft­li­cher Heraus­for­de­rungen

Beginnen wir diesen Ab­schnitt mit fol­gen­dem Zitat:

„The power and re­spon­si­bi­lity that companies have to help build a thriving,
resi­lient world has never been greater“ (Winston 2016, S. 19).

Dies bedeutet, dass Winston (2016: 19) auf Sei­ten von Unter­nehmen eine nie da­ge­we­sene Macht und Ver­ant­wor­tung für eine flo­rie­ren­de und wider­stands­fähige Welt sieht. Die kom­men­den Jahre und Jahr­zehnte könn­ten eine kri­tische Zeit für die Mensch­heit sein, insoweit neue Tech­no­lo­gien dabei unter­stüt­zen können, große Her­aus­for­de­run­gen wie den Klima­wandel, die Knapp­heit an Res­sour­cen wie Wasser und Nah­rungs­mittel sowie große Un­gleich­heiten unter Men­schen an­zu­gehen (Winston 2016: 19). Hierfür tra­gen nach Winston (2016: 19) nicht nur Re­gie­rungen und die Zivil­ge­sell­schaft, – auf die Füh­rungs­kräfte von Unter­nehmen in sol­chen Zu­sammen­hängen gern ver­weisen – son­dern auch Unter­nehmen Ver­ant­wort­ung. Dies sind einige der Punkte, die Winston (2016: 19 f.) ver­bunden mit unter­neh­me­ri­scher Ver­ant­wor­tung, die über die Er­lan­gung fi­nan­ziel­len Er­folges hin­aus­reichen sollte, an­spricht:

  • Mit dem Internet der Dinge und ver­bes­ser­ten Ana­lyse­mög­lich­kei­ten stehen detail­lier­tere In­for­ma­tio­nen bei­spiels­weise zu Energie­ver­brauch und Be­las­tung der Atmos­phäre mit Treib­haus­gasen durch Unter­nehmens­akti­vi­täten zur Ver­fügung, die für eine Ver­bes­se­rung dies­be­züg­licher Ent­schei­dungen ge­nutzt werden können.

  • Leistungs­fähige Com­pu­ter und zu ge­rin­gen Kosten ver­füg­bare Daten können Trans­port­sys­teme „smarter“ machen und Infra­struk­tur­nut­zung ver­bessern­(bspw. effi­zien­tere Nut­zung der Infra­struk­tur durch selbst­fah­rende Fahr­zeuge, ge­mein­same und ver­bes­ser­te Nut­zung von Res­sourcen [‚sharing‘], Er­höhung der Sicher­heit für den Men­schen).

  • Es ist eine ‚Präzi­sions­land­wirt­schaft‘ möglich, in der Ein­träge an Dünger, Pes­ti­zi­den und Wasser opti­miert werden. Ver­schwen­dungen in der Nah­rungs­mit­tel­kette können re­du­ziert werden (Smart Farming).

  • Zusätzlich wird bedingt durch ver­netzte Sen­soren und die Teilung von In­for­ma­tio­nen in so­zia­len Netz­werken eine zu­nehm­ende Trans­pa­renz fest­zu­stel­len sein, die durch Unter­nehmen ge­nutzt oder ein­ge­schränkt werden kann.

Vor diesem Hintergrund be­schreibt Winston (2016: 20) die Not­wen­dig­keit, dass wir die ‚ulti­ma­tive Tech­no­lo­gie: Unser Gehirn‘ (im Original „ultimate techno­logy: our brains“) nutzen und den Zweck von Ge­schäfts­tätig­keit und dessen Rolle in der Ge­sell­schaft grund­le­gend über­den­ken, um letzt­lich die oben bei­spiel­haft an­ge­spro­che­nen Poten­ziale kon­se­quent nutzen zu können.

Was denken Sie,...

...was in einer stärker digi­ta­li­sier­ten Welt posi­tive Ent­wick­lungen zur Lösung von ge­sell­schaft­lichen Her­aus­for­de­rungen wie dem Klima­wandel sind, die auf Seiten von Unter­nehmen, die nicht allein auf fi­nan­ziel­len Gewinn hin­wirt­schaf­ten, mit Ver­ant­wortung ein­her­gehen?

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Corporate Social Responsi­bility und Nach­haltig­keit

Häufg wird die gesell­schaft­liche Ver­ant­wor­tung von Unter­nehmen mit dem Begriff Coporate Social Res­ponsi­bility belegt. "Dies umfasst so­ziale, öko­lo­gische und öko­no­mische As­pekte, wie sie etwa in inter­nat­ional an­er­kann­ten Refe­renz­doku­menten zur Unter­nehmens­ver­ant­wor­tung aus­ge­führt sind, ins­be­son­dere in der ILO-Grund­satz­er­klärung über Unter­nehmen und Sozial­politik, den OECD-Leit­sätzen für multi­natio­nale Unter­nehmen, den UN-Leit­prin­zi­pien für Wirt­schaft und Men­schen­rechte, im UN Global Compact oder in der ISO 26000. Konkret geht es bei­spiels­weise um faire Ge­schäfts­prak­tiken, mit­ar­bei­ter­orien­tierte Per­so­nal­politik, spar­samen Einsatz von natür­lichen Res­sour­cen, Schutz von Klima und Umwelt, ernst gemeintes En­ga­ge­ment vor Ort und Ver­ant­wor­tung auch in der Liefer­kette" (vgl. Bundes­minis­terium für Arbeit und Soziales 2017). Die An­for­de­rungen, die auf der Unter­neh­mens­ebene an die drei zu be­rück­sich­ti­gen­den Säulen (öko­lo­gische, öko­no­mische und so­ziale) ge­stellt werden (Drei-­Säulen-­Modell vgl. bei­spiels­weise Pufé 2014), hat Loew (2002) wie folgt zu­sam­men­ge­fasst.

Tabelle 3: Anforderungen aus der Nach­hal­tig­keits­de­batte (eigene Ab­bil­dung basie­rend auf Weisen­see, Bau­mann (2014) und Loew (2002))

Öko­lo­gi­sche Säule
So­zia­le Säule
Öko­no­mi­sche Säule
Com­pliance (Ein­hal­tung von Ge­set­zen, Regeln, Normen) Angemes­se­ne Be­rück­sich­ti­gung der Arbeit­neh­mer­inter­essen (Gleich­be­rech­ti­gung, Schutz von Minder­hei­ten, Aus­bil­dung) Langfristiger Unter­neh­mens­erhalt (sofern mit über­ge­ord­neten Nach­hal­tig­keits­zie­len zu ver­ein­baren, even­tuell not­wen­diger Struk­tur­wan­del er­for­dert An­pas­sung oder führt zu Konkurs)
Öko­effi­zienz, Mit­ar­bei­ter­qua­li­fi­ka­tion / Umwelt­bil­dung Gesell­schaft­li­che Ver­ant­wor­tung / cor­po­rate social res­ponsi­bi­lity (Koope­ra­tion mit Be­hör­den, Loka­les Engage­ment, Spon­soring) Vertei­lung der Wert­schöp­fung (Ein­kom­men der Mit­ar­bei­ter, Preis­ge­stal­tung, Steuer­zah­lung, Be­zah­lung der Lie­fe­ran­ten)
Vermei­dung von be­son­de­ren Risi­ken (d.h. frei­wil­li­ge Ent­schei­dung jen­seits von Com­pliance und Öko­effi­zienz) Be­rück­sich­ti­gung von sozia­len As­pek­ten bei der Be­schaf­fung (Arbeits­be­din­gun­gen bei inter­na­tio­na­len Lie­fe­ran­ten, Ein­hal­tung von be­stimm­ten Min­dest­stan­dards) Be­reit­stel­lung von Gü­tern und Dienst­leis­tun­gen zur Be­dürf­nis­be­frie­di­gung
Gute Um­welt­manage­ment­prak­ti­ken (Öko­lo­gi­sche Pro­dukt­ent­wick­lung, Be­rück­sich­ti­gung von öko­lo­gi­schen As­pek­ten bei der Be­schaf­fung und der Ma­te­ri­al­wirt­schaft, Or­ga­ni­sa­tion, Fer­ti­gung, Per­so­nal­we­sen, Repor­ting, Mar­ke­ting und Con­trol­ling) Ethisches Ge­schäfts­ver­hal­ten
Strate­gi­sche und lang­fris­tige Aus­rich­tung des Um­welt­manage­ments

An dieser Stelle soll klar­ge­stellt werden, dass Digi­tali­sie­rung und Indus­trie 4.0 als ein Bei­trag zur Lösung von Pro­blemen wie dem Klima­wandel mög­licher­weise hilf­reich sein kann. Zu­gleich ist es heute als eher un­wahr­schein­lich bis un­mög­lich ein­zu­stufen, dass der Ein­satz von Tech­no­logie ins­be­son­dere seitens der Unter­neh­men allein aus­rei­chen wird, die Probleme im Zu­sam­men­hang mit dem Klima­wandel zu lösen. Hierfür ist das Handeln und die Ko­oper­ation auf allen ge­sell­schaft­lichen Ebenen zwecks An­pas­sung und Min­de­rung ("Adap­tation and Miti­gation") not­wendig (IPCC 2014: 99 ff.). Auf der unter­neh­me­rischen Ebene ist dabei ein stra­te­gischer Blick­winkel ein­zu­nehmen, der im All­ge­meinen auch Akti­vi­täten im Sinne von Suf­fi­zienz­stra­tegie, Kon­sis­tenz­stra­tegie und Effi­zienz­stra­tegie (Schalt­egger 2013a, 2013b) mit um­fassen kann und sollte. Zudem sind in Zukunft durch be­stimmte Unter­nehmen neue Be­richts­pflichten zu er­füllen, welche sich hier nach­lesen lassen:

Dass umfang­reiche Akti­vi­täten auf allen Ebenen not­wendig sind, ist zu­gleich auch ein Grund mehr dafür, dass von jeder Ebene aus ein Handeln er­fol­gen muss. Das um­fasst auch den Einsatz von Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 bspw. für die Er­zeu­gung von Trans­pa­renz über bio­lo­gische und tech­nische Kreis­läufe, um diese effi­zien­ter zu ge­stal­ten und zu steuern. Digi­ta­li­sie­rung und Ver­net­zung können in diesem Zu­sam­men­hang auch dazu dienen, die Ver­net­zung von Ak­teuren, die sich für Nach­haltig­keit en­ga­gieren, trans­pa­rent zu machen wie bei­spiels­weise die Nach­haltig­keits­land­karte des von der Uni­ver­si­tät Ham­burg ko­or­di­nier­ten Pro­jek­tes HOCHN (https://hochn.rrz.uni-hamburg.de/). Und hier (https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de/datenbank/dnk-datenbank.html) können die Unter­nehmen ein­ge­sehen werden, die Ent­spre­chens­er­klä­rungen zum Deut­schen Nach­haltig­keits­kodex (DNK) ab­ge­geben haben, der 20 Kri­te­rien in den Be­rei­chen Stra­te­gie, Pro­zess­manage­ment, Um­welt und Ge­sell­schaft um­fasst (vgl. https://www.deutscher-nachhaltigkeitskodex.de/de/dnk/der-nachhaltigkeitskodex.html)


An dieser Stelle möchten wir Sie auf den Kurz­film "Factor X: Beyond Climate Change - FLOW" hin­weisen, der die Zu­sam­men­hänge glo­baler Stoff­ströme und die Grenzen des kon­sum­ori­en­tier­ten Lebens­stils auf­zeigt.

[Video-URL: https://www.youtube.com/embed/Qh6SCVytye4?rel=0]

© Umwelt­bundes­amt; YouTube Kanal: https://www.youtube.com/user/Umweltbundesamt



In diesem Zusammenhang ist auch die Eden Projekt „WEEE Man“-Skul­ptur (WEEE = Waste Electric and Elec­tronic Equip­ment) an­schau­lich (http://www.weeeman.org/), welche aus dem Müll an elek­tro­nischen und elek­tri­schen Pro­duk­ten, den seiner­zeit ein durch­schnitt­licher Bürger Groß­bri­tan­niens über das Leben hinweg ver­ur­sacht, besteht. In diesem Video kann der „WEEE Man“ an­ge­sehen werden:

[Video-URL: https://www.youtube.com/embed/bGXnQw9NkWc?rel=0]

© edenprojecttv; YouTube Kanal: https://www.youtube.com/user/edenprojecttv



Wer sich bei Interesse in die Er­geb­nisse des fünften Sach­stands­berichts des Welt­klima­rats ein­denken möchte, kann bei­spiels­weise mit dieser Video-Play­list zu wich­tigen Etap­pen https://www.youtube.com/playlist?list=PL8HCIylyEaFBJWj28im8ToPlakg2z6jBc beginnen. Er­kennt­nisse, wie sie im fünf­ten Sach­stands­bericht des Welt­klima­rates ver­öffent­licht wurden, wären ohne die Ent­wick­lungen im Zuge der Digi­ta­li­sie­rung un­mög­lich zu er­lan­gen. Wer sich dafür inter­es­siert, kann ja einmal re­cher­chie­ren, mit wie­viel PetaFLOPS an Rechen­leistung der Hoch­leistungs­rechner „Mistral“ am Deu­tschen Klima­rechen­zentrum in Ham­burg aus­ge­stattet ist, und wie­viel dies ver­glichen mit der Rechen­leistung des Tianhe-2 im Jahre 2014 mit 34 ∙ 1015 FLOPS (vgl. Abschnitt 1.2) ist.

Digitalisierung und Industrie 4.0 stra­te­gisch ver­or­ten und inves­tie­ren

In diesem Abschnitt möchten wir mit fol­gender Frage ein­leiten, die sich auf den Legis­la­tur­bericht zur Digi­ta­len Agenda 2014 bis 2017 der Bundes­re­gierung be­zieht (vgl. Bericht unter http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/121/1812130.pdf oder zu er­reichen über https://www.bundestag.de/ada):

Wie denken Sie,...

...steht es um die Akti­vi­täten mittel­stän­discher Unter­nehmen zur Digi­ta­li­sierung (laut dem Legis­la­tur­bericht zur Digi­talen Agenda 2014 bis 2017)?

00a983a9041a2ff1014a0de00cc5c27c 3118abf87172c35469b5df364a12b223 559135f92b2d164ab677afc5908d51bd


Was denken Sie? Könnte der Mittel­stand mit Blick auf Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 mehr tun? Wie sieht es Ihrer Mei­nung nach bei Unter­neh­men aus, für die Sie oder Men­schen, die Sie kennen, arbeiten? Die Frage ist gar nicht so ein­fach zu be­ant­worten, wie wir meinen. Kommen Sie gern hier im Fach­forum "Digi­ta­li­sie­rung und Industrie 4.0" als Social Learning-Platt­form vorbei, dis­ku­tieren Sie mit Ihren Kom­mi­li­to­nin­nen und Kom­mi­li­to­nen über diese Fragen und teilen Sie ak­tu­elle In­for­ma­tio­nen hierzu. Hier können wir uns bei­spiels­weise über ak­tu­elle Bei­träge wie den fol­gen­den aus ZEIT ONLINE aus­tau­schen: "Feind­bild Al­go­rith­mus, Bei­trag aus ZEIT ON­LINE (@zeitonline) vom 14. Oktober 2017".

An­knüpf­ungs­punkte zur Wirt­schafts-, Ma­schinen-, In­for­mations- und Ar­beits­ethik

In Kapitel 1 wurde bereits auf den Bei­trag von Bendel (2017a) im Gabler Wirt­schafts­lexikon ("http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/industrie-4-0.html") Bezug ge­nommen, der zwischen Industrie 4.0 und Wirt­schafts­ethik fol­gende Ver­bin­dung her­stellt: „Auto­ma­ti­sierte Ent­scheidungen in mora­li­scher Hin­sicht, mit­hin die damit zu­sam­men­hän­gen­den Pro­bleme, sind Thema der Ma­schi­nen­ethik. Die In­for­ma­tions­ethik be­schäf­tigt sich damit, dass die Sys­teme mani­pu­liert und ge­hackt, dass sie falsche Daten be­nut­zen und falsche In­for­ma­tio­nen liefern und in feind­licher Weise über­nom­men werden können. In selbst­ständig fah­ren­den Autos und in ver­netz­ten Häusern (Smart Living) werden wir zu glä­ser­nen Bürgern, an­ge­sichts medi­zi­nischer Roboter und elek­tro­nischer Akten zu glä­ser­nen Pa­tien­ten. Die Arbeits­ethik kommt hinzu, wenn es um die Er­set­zung von Arbeits- und Fach­kräf­ten durch (teil-)autonome Ma­schi­nen geht [Her­vor­he­bun­gen er­gänzt]“.

Zu allen ge­nannten Be­griffen fin­den sich hier se­pa­rate Bei­träge im Gabler Wirt­schafts­lexikon,

die hier je nach In­ter­esse einer ersten lexi­ka­lischen Ver­tie­fung zu diesen Be­griffen dienen und so eine erste Orien­tie­rung bieten können.

5 Zusammenfassung

Im vor­lie­gen­den digi­talen Studien­brief sind aus­ge­wähl­te Grund­züge bezüg­lich der Ent­wick­lungen rund um die Themen­ge­biete Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 dar­gelegt. Ins­be­son­dere wurde dabei auf Digi­ta­li­sie­rung, die Ver­net­zung von Men­schen und von un­be­leb­ter Materie sowie auf künst­liche Intel­li­genz ein­ge­gangen. Neben diesen grund­le­gen­den As­pek­ten sind darüber hinaus Über­le­gungen zu aus­ge­wähl­ten Aus­wir­kungen be­züg­lich Lernen, Arbeit und Kom­pe­tenzen sowie Cyber Security und unter­nehme­ri­scher Ver­ant­wortung auf­ge­griffen. Dieser Studien­brief ver­mittelt Ihnen fun­dier­te Grund­kennt­nisse rund um das Thema Digi­ta­li­sie­rung sowie dazu, was Indus­­trie 4.0 be­deu­ten und wie diese aus­ge­stal­tet sein kann, wobei Sie im wei­teren Verlauf Ihres Stu­diums Ihr Wis­sen nach Bedarf und Inter­esse ver­brei­tern und ver­tie­fen können.

Verbunden mit Digi­ta­li­sie­rung und Indus­trie 4.0 liegt ein gesell­schaft­lich höchst­rele­van­ter Pro­zess vor uns allen, der unter anderem eine nicht mehr zu über­sehen­de tech­nische Prä­gung be­sitzt. Die Manage­ment­wissen­schaft beginnt heut­zu­tage Über­le­gun­gen rund um diese „Digi­tale Trans­for­mation“ anzu­stel­len, wobei sich diese wissen­schaft­liche Aus­ein­ander­set­zung noch in den An­fängen be­fin­det (Nicolai, Schuster 2018). Für die Regelung digi­ta­ler Kom­mu­ni­ka­tion sind heute auf gesell­schaft­licher Ebene nicht mehr nur Be­trach­tungen auf regu­la­ti­ver, nor­ma­ti­ver und (kulturell-)kogni­tiver Ebene, sondern zudem auch auf tech­ni­scher Ebene wesent­lich (Katzenbach 2018). Dabei zeigt sich, dass die­jenigen, die (inter­net­basierte) Tech­nik zur Ver­fü­gung stellen und wir alle, die diese Tech­nik nutzen, heute und in Zukunft eine be­son­dere Ver­ant­wortung haben. Dort, wo wir jeden Tag erneut ent­schei­den, was wir mit dieser Tech­nik in Zukunft genau tun und nicht tun und wie wir dies tun oder nicht tun, ge­stal­ten wir die Zukunft der Ge­sell­schaft, in der wir leben, ent­schei­dend mit.

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